© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

Geschickter Schachzug
Debatte: Kommt das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin doch noch?
Peter Möller

Journalisten und interessierte Bürger mußten in der vergangenen Woche draußen bleiben, als die Mitglieder des Kulturausschusses im Saal 4.400 des Berliner Paul-Löbe-Hauses zu ihrer Sitzung zusammenkamen. Auf der Tagesordnung des Gremiums: eine Expertenanhörung zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin.

Auf den ersten Blick erscheint das Thema unspektakulär. Doch das Drama um dieses Projekt stellt mittlerweile fast schon das Desaster um den Flughafen BER in den Schatten – zumindest was die Zeitverzögerung betrifft: Ursprünglich sollte das Denkmal bereits am 9. November 2014, dem 25. Jahrestag des Mauerfalls eröffnet werden. Doch auch im dritten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung erinnert in der an Gedenkstätten nicht eben armen deutschen Hauptstadt kein Denkmal an zentraler Stelle an dieses epochale Ereignis.

 Die Diskussion darüber ist fast so alt wie die deutsche Einheit. Schon der Standort war umstritten: Soll das Denkmal in Berlin errichtet werden oder vielleicht doch lieber in Leipzig, der Heldenstadt der friedlichen Revolution in der DDR, ohne die die Wiedervereinigung nicht denkbar gewesen wäre? Der Bundestag entschied sich schließlich am 9. November 2007 dafür, das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin zu errichten.

Ende 2008 wurde es dann noch konkreter: Als Standort wurde das Fundament des von den Kommunisten abgeräumten Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals an der Schloßfreiheit in unmittelbarer Nachbarschaft des Berliner Stadtschlosses festgelegt.

Weitere drei Jahre später stand endlich fest, was überhaupt gebaut werden soll: Nach dem Willen der Jury wird auf dem historischen Fundament eine gigantische begehbare Wippe mit dem Titel „Bürger in Bewegung“ entstehen. Nicht wenige Experten hielten diesen infantilen Entwurf für einen Witz, andere schlicht für unwürdig, um damit an die Wiedervereinigung zu erinnern.

Doch nicht gute Argumente, sondern steigende Kosten sind dafür verantwortlich, daß das Fundament des einstigen Nationaldenkmals immer noch unbebaut ist, während das wiederaufgebaute Stadtschloß äußerlich mittlerweile fast fertiggestellt ist. Denn statt der ursprünglich geplanten zehn Millionen Euro werden für das Denkmal mittlerweile 15 Millionen Euro veranschlagt. Im April vorigen Jahres zog der Hauptausschuß des Bundestages daher die Reißleine und stoppte das Projekt kurzerhand. Zum Entsetzen von Befürwortern des Projektes wie Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD): „Damit zeigt der Haushaltsausschuß seine abgrundtiefe Verachtung des Beitrags der Ostdeutschen zur Freiheits- und Demokratiegeschichte“, sagte er dem Berliner Tagesspiegel.

18,5 Millionen Euro für wilhelminische Kolonnaden

Die Vermutung, daß die Haushaltspolitiker von Union und SPD die gestiegenen Kosten nur als Vorwand genutzt hatten, um das ungeliebte Denkmal zu kippen, verstärkte sich im November 2016. In einer handstreichartigen Aktion bewilligte der Ausschuß zur Verblüffung sämtlicher Experten plötzlich 18,5 Millionen Euro – doch nicht für die Einheitswippe, sondern für die Rekonstruktion der wilhelminischen Kolonnaden, die das Nationaldenkmal einst an drei Seiten umschlossen hatten. Diese städtebaulich ansprechende Lösung sorgt in der linken Berliner Kulturszene für Entsetzen.

Berlins neuer Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) ließ nach seinem Amtsantritt Ende des Jahres keinen Zweifel daran, daß er von der Idee des Wiederaufbaus der Kolonnaden nichts hält. Im Tagesspiegel sprach er von „einer fragwürdigen historisierenden Traditionslinie“.

Doch auch aus der Union kam Kritik am Vorgehen des Haushaltsausschusses: „Es kann nicht irgendein Ausschuß Parlamentsbeschlüsse außer Kraft setzen“, polterte der langjährige Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) vergangene Woche im ZDF-Magazin „Frontal 21“. Ähnlich äußerte sich sein Parteifreund Bundestagspräsident Norbert Lammert nach Angaben von Teilnehmern in der vergangenen Woche bei der Anhörung des Gremiums. Der Beschluß zum Bau der Wippe habe nach wie vor Gültigkeit. „Wer etwas anderes will, muß das neu beantragen“, sagte Lammert. Neumanns Nachfolgerin Monika Grütters mahnte denn auch einen neuen Anlauf für das Denkmal an. „Wir sollten in Deutschland noch einmal offen und öffentlich diskutieren, welches Freiheits- und Einheitsdenkmal wir wollen“, sagte die CDU-Politikerin vor der ominösen Sitzung des Kulturausschusses, die offenbar zu keinen konkreten Ergebnissen führte.

Nun sollen sich die Fraktionen erneut mit dem Fall beschäftigen. Ob dies bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst zu einem Ergebnis führt, ist mehr als zweifelhaft. Die für 2018 ins Auge gefaßte Eröffnung des Denkmals ist jedenfalls längst vom Tisch, auch wenn der Architekt der Wippe, Johannes Milla, weiter auf die Umsetzung seines Entwurfs besteht. Am Ende könnte sich der Kolonnaden-Beschluß des Ausschusses daher als geschickter Schachzug erweisen, um die Diskussion über das Einheitsdenkmal noch einmal auf Anfang zu setzen – und so die ungeliebte Wippe doch noch zu verhindern.

Weitere Informationen zum Thema im Internet bei der Deutschen Gesellschaft e. V.:  www.freiheits-und-einheitsdenkmal.de