© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

Fußball als Spiegel der Gesellschaft
Pogromstimmungen
Matthias Bäkermann

In Vertretung des „Guten“ die Welle des Hasses reiten, sich dabei ohne Risiko der wohlwollenden Zustimmung eines „breiten Bündnisses“ sicher sein, das konnte schon immer alle niedrigen Instinkte des Menschen freisetzen und schnell jeden zivilisatorischen Firnis abstreifen. Die Geschichte ist voller Beispiele dafür. Und wer heute den ungezügelten Mob toben sehen will, kann ihre Haßgesichter bei Antifa-Demos oder in manchen Stadienkurven studieren. Nicht weitab dürften meist ihre Stichwortgeber stehen, für deren Parolen – seien es „Toleranz und Respekt“ oder die „Fußballtradition“ – die Meute von der Kette gelassen wird.

In Dortmund hat es vergangenen Samstag Anhänger des Bundesligisten RB Leipzig getroffen. Sogar Familien mit Kindern waren der ungezügelten Aggression der Westfalen-Fans ausgesetzt, wovon sonst selbst beim ewigen Rivalen Schalke abgesehen wird. Die Leipziger gelten nämlich als traditionslos, ihr Verein als besonders kommerzorientiert. Zuvor hatte Hans-Joachim Watzke, geschäftsführender Gesellschafter der „Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA“, einen „Empfang mit herzlicher Ablehnung“ für die Sachsen prognostiziert. Seine Dortmunder würden im Sinne aller echten Fußballfans den ungeliebten Bundesliganeuling schon Mores lehren, sollte das wohl heißen. Nun, da die Gewalt ausuferte, macht Watzke betroffene Mine. Und genau darin waren geistige Brandstifter hinterher schon immer meisterlich – im Sport wie in der Politik.