© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

Optischer Freund und Helfer
Innere Sicherheit: Immer häufiger werden Ordnungshüter Opfer von Aggressionen / Mit Körperkameras will die Polizei potentielle Angreifer abschrecken
Paul Leonhard

Der Einsatz von Körperkameras soll künftig präventiv zum Schutz deutscher Polizisten beitragen. Die sogenannten Bodycams werden von den Beamten sichtbar an der Uniform getragen und bei einer drohenden Eskalation nach Ankündigung eingeschaltet. So würden mögliche Gewalttäter abgeschreckt, hofft Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG). Insbesondere von Modellen, bei denen sich die Pöbler plötzlich selbst im Display der Kamera sehen. Und sollte es trotzdem zu einem Angriff auf den Beamten kommen, sollen die Aufnahmen der objektiven Tataufklärung dienen. 

Angesichts der rasant gestiegenen Zahl von Gewaltdelikten gegenüber Polizisten in Deutschland sinnen Politik und Gewerkschaften seit Jahren über mögliche Gegenmaßnahmen. Im Jahr 2015 wurden laut Polizeilicher Kriminalstatistik mehr als 60.000 derartige Angriffe registriert, im Jahr zuvor waren es knapp 56.000. Die Beamten seien sogar mit Steinen, Flaschen und Metallstangen attackiert worden, sagt Wendt und warnt: „Selbst die Hemmschwelle bei vermeintlich normalen Bürgern nimmt immer stärker ab.“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) weiß zu berichten: Die Hälfte der verbalen oder körperlichen Angriffe auf Polizisten ereigne sich meist in der Nähe von Ausgehvierteln, die Täter seien zum Großteil zwischen 18 und 50 Jahre alte angetrunkene Männer, auf die eingeschaltete Polizeikameras im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternd wirken. Das zeigt auch ein im Frankfurter Stadtteil Alt-Sachsenhausen seit 2013 laufendes Pilotprojekt mit Körperkameras. Binnen eines Jahres wurde bei „Widerstandsdelikten“ ein Rückgang von 37,5 Prozent verzeichnet. Außerdem registrierte die Polizei eine verminderte Aggressivität, eine gesteigerte Kooperationsbereitschaft, den Rückgang von Solidarisierungsinitiativen mit dem Angreifer und positive Rückmeldungen der Bürger. Potentielle Gewalttäter würden sich von den Körperkameras effektiv abschrecken lassen, sagte Jörg Radek, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Die Eigensicherung der Polizisten in kritischen Einsatzlagen sei „das wichtige und einzige Ziel der Bodycam“, sagte die Berliner GdP-Landesvorsitzende Kerstin Philipp. Trotzdem tun sich einige Länder schwer mit dem Einsatz der Kameras. Sie verweisen auf fehlende rechtliche Voraussetzungen für den Einsatz optisch-elektronischer Mittel im öffentlichen Verkehrsraum.

Schon Anfang 2016 forderte Wendt die Länder vergeblich auf, die hessischen Erfahrungen zu nutzen und nicht erst „eigene, langwierige Feldversuche mit offenem Ausgang“ zu starten. Während Rheinland-Pfalz nach Hessen Bodycams ab diesem Jahr landesweit einführt, will Thüringen die „Praxistauglichkeit der Körperkameras“ ab dem kommenden Frühjahr erst einmal testen, kündigte Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) an.

Etwas weiter sind Bayern und Nord-rhein-Westfalen. Der Düsseldorfer Landtag verabschiedete im Dezember eine Änderung des Polizeigesetzes, um Modellversuche zu ermöglichen. Im Freistaat werden verschiedene Körperkamera-Modelle an „gefährlichen Orten“ in München, Rosenheim und Augsburg getestet. Auch Hamburg, Baden-Württemberg und Berlin testen. Die Bundespolizei hat unter anderem an Berliner Bahnhöfen probeweise Beamte mit Körperkameras ausgestattet. Kein einziger derartig Ausgerüsteter sei attackiert worden, während die Zahl der Angriffe auf andere Polizisten gestiegen sei, teilte Thomas Striethörster, Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin, im Sommer mit. Ähnliche Erfahrungen haben die Sicherheitsmitarbeiter der Deutschen Bahn gemacht. In Bremen stimmte die Bürgerschaft dem Einsatz von Körperkameras zu. In Brandenburg will Innenminister Karl-Heinz Schröder (SPD) gesetzliche Grundlagen schaffen, seit Anfang des Jahres ein Kampfsportler drei Polizisten verprügelt hat. 

Wie man in Deutschland prinzipiell mit Körperkameras umgehen sollte, wollen die Bundesländer in diesem Jahr auf einer Innenministerkonferenz beraten, kündigte Poppenhäger an. Dann würden alle ihre Testergebnisse vorlegen.