© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

Grüße aus Paris
Stolz auf die Buchkultur
Albrecht Rothacher

Rachida Dati ist eine attraktive Frau. Anfang 50, sieht sie aus wie Mitte 20, mit der Attitüde einer Primadonna, die mit ihren Launen ihre Mitarbeiter in Furcht und Schrecken versetzt – ähnlich wie übrigens auch Umweltministerin Ségolène Royal oder die IWF-Chefin Christine Lagarde.

 Die Tochter eines marokkanischen Maurers ist die Bürgermeisterin des noblen siebten Bezirks und Europaabgeordnete. Sie war als Freundin von Cécilia Attias (bis 2007 Sarkozy) auch einmal als Nichtjuristin eine überforderte Justizministerin. 

Heute aber hat Frau Dati sehr gute Laune. Denn ihrem Parteifeind François Fillon, der ihr als Premier den Ministersessel und den Wahlkreis abgenommen hat, geht es sehr schlecht. Die Affäre um die Beschäftigung seiner Frau könnte ihm die Präsidentschaft kosten. 

Die Deutschen werden hier nicht ausschließlich als die Bösewichter dargestellt.

Doch heute geht es um Buchkultur, auf die die Franzosen zu Recht so stolz sind. Frau Dati lud zu einer Buchmesse in ihrer Bürgermeisterei ein. Vierzig Autoren hatte der örtliche Buchclub ausgewählt. Die Vorsitzende meint, sie würde jedes Jahr 150 Bücher lesen und bewerten. Ein Mitglied würde gar eines pro Tag schaffen. 

Eine bunte Mischung: von einer fünfzehnjährigen Erstautorin bis zu einer Preisträgerin der Académie française, Krimis, Science-fiction, Comics, alles dabei. Stapelweise werden die Bücher verkauft, um von den Autoren bei Lesergesprächen signiert zu werden.

 Ich kenne einen davon, Romain Slocombe, und gebe ihm meine Besprechung seines Briefromans „Une été au Kansai“, der an der deutschen Botschaft in Tokio während des Zweiten Weltkriegs spielt. Er kennt sie noch nicht und freut sich sehr, obwohl sie einigermaßen kritisch ist. Sein Anliegen ist es, die Deutschen als Kriegsverlierer nicht ausschließlich als die Bösewichter darzustellen. Die Pariser Gendarmen, die jahrelang kollaborierten, hätten, um sich in letzter Minute als Widerständler auszuweisen, reihenweise deutsche Kriegsgefangene ermordet, sagt er.

Auf dem Nachhauseweg laufe ich in eine nordafrikanische Jugendbande. Sechs Knirpse voller Aggression. Sie werfen Kaffeehaustische um, bedrängen, verfluchen und bespucken Passanten, Kellner und Geschäftsinhaber. Alles ist fassungslos. 

Ich habe Lust, mir einen zu schnappen und mit Ohrfeigen zur Vernunft zu bringen. Aber würden die anderen mich dann mit Springmessern abstechen, und wer käme mir zu Hilfe?