© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

Umwelt
Freibeuter vor Afrika
Sönke Meyer

Sagenhafte 98 Prozent der britischen Fischer stimmten für den Brexit. Vor allem in der Hoffnung, daß die westliche Hälfte der Nordsee, wo Trawler aus den EU-Staaten jährlich Heringe, Makrelen und Kabeljau im Wert von 400 Millionen Euro fischen, wieder nationales Hoheitsgewässer wird. Auch in Westafrika ist der Zorn groß, wird doch auch dort die Brüsseler Fischereipolitik als Existenzzerstörer eines ganzen Berufsstandes wahrgenommen. Obwohl die EU-Fangflotten vor den Küsten von Senegal, Gambia und Guinea formal legal operieren, da sich Brüssel mit sieben – weder nachhaltigen noch fairen – Abkommen Zugang zu den mit Rochen, Walhaien, Makrelen, Sardinen und Heringen lockenden reichen Fanggründen verschafft hat.

Der maltesische EU-Kommissar Karmenu Vella ist Lobbyist der Industriefischerei.

Doch vor kurzem publizierte Studien mehrerer Umweltschutzgruppen, die die Routen schwimmender Fischfabriken ein Jahr lang mit GPS und Satelliten-Nachverfolgungssystemen dokumentieren, stützen nun den alten Verdacht illegalen Fischfangs. 1,2 Milliarden Euro soll Westafrika dadurch pro Jahr verlieren. Mit diesem Raubbau, so der Vorwurf, schaffe die EU eine von vielen „Fluchtursachen“, die die Bundesregierung neuerdings in Afrika beseitigen möchte, um den Zustrom Entwurzelter vornehmlich nach Deutschland zu stoppen. Es läge in diesem Fall allerdings näher, sich an Karmenu Vella zu wenden, den maltesischen EU-Kommissar für Umwelt und Fischerei. Der 66jährige Sozialdemokrat hat nämlich nach Ansicht der Natur-Redaktion (1/17) mit dem auf Ressourcenschonung bedachten, wissenschaftlich kontrollierten Kurs seiner griechischen Amtsvorgängerin Maria Damanaki gebrochen und orientiere sich nun exklusiv an der Lobby der Industriefischerei. Dafür zeichnete ihn die Redaktion als Umweltsünder des Monats aus.