© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

Konsequent nur mit Konjunktiv
Abschiebungen: Der Bund will die Ausreisepflicht verstärkt durchsetzen und die Anwendung der Duldungsregelungen vereinheitlichen / Die Länder sperren sich
Paul Leonhard

Der Bund will mehr Kompetenzen bei der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern. Das ist das Ergebnis eines Krisentreffens der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Dazu wurde ein Maßnahmenplan beschlossen, bei dem es sich aber durchweg um Absichtserklärungen handelt. Ein Ende der von Merkel etablierten Willkommenskultur und ihres Mißbrauchs durch falsche Asylbewerber ist nicht in Sicht. 

Sozialhilfebetrug soll     strenger geahndet werden

So konnten sich die Länderchefs nicht dazu durchringen, den von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) favorisierten Bundesausreisezentren zuzustimmen. In diesen sollten Ausreisepflichtige kurz vor ihrer Abschiebung untergebracht werden. Eine Idee, die zum „Gegenstand weiterer Beratungen“ erklärt wurde. Die geforderte Kompetenzerweitung für die Bundespolizei wird bestenfalls „mittelfristig“ nach Verhandlungen in einer zu gründenden Arbeitsgruppe erfolgen. Damit bleibt die Vollstreckung von Abschiebungen Ländersache.

Auch andere der ursprünglich 16 Punkte stehen unter dem Vorbehalt gesetzlicher Regelungen. Eine Rückführung rechtskräftig zur Ausreise Verpflichteter soll zeitnah direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgen und nicht erst nach Verteilung in die Kommunen. Die Abschiebehaft für Gefährder soll erleichtert werden. Mit dem Wegfall der Unschuldsvermutung sollen Flüchtlinge gezwungen werden, aktiv bei der Feststellung ihrer Identität mitzuwirken. Notfalls darf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Daten von Smartphones und Sim-Karten auslesen. Falschangaben und Straftaten sollen zu einer schnelleren Abschiebung führen.

Ob „gesundheitliche Abschiebehindernisse“ vorliegen, soll künftig der Amtsarzt entscheiden. Sozialhilfe-betrug, der bisher keinen Einfluß auf das Asylverfahren hatte, soll strenger geahndet werden. Leistungskürzungen, um „Fehlanreize für Ausreisepflichtige“ abzubauen, verlangte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) als Vorsitzender der Innenministerkonferenz der Länder.

Grünes Licht gab es für die Einrichtung eines „Zentrums zur Unterstützung der Rückkehr“ mit Sitz in Potsdam. In der Bundeseinrichtung, in die alle Länder Vertreter entsenden, werden Kompetenzen für Sammelabschiebungen gebündelt.

Das Bundesinnenministerium wird bis zum 1. Mai „Anwendungshinweise“ zum Aufenthaltsgesetz, mit dem der Bund „eine einheitliche Anwendung der gesetzlichen Duldungsregelungen“ erreichen möchte, vorlegen. Bisher wird der Umgang mit ausreisepflichtigen Ausländern in den Ländern höchst unterschiedlich gehandhabt.

In Deutschland besaßen Ende 2016 von knapp 208.000 Ausreisepflichtigen mehr als 153.000 den Status „geduldet“. Viele davon haben nach Einschätzung der Ausländerbehörden die Abschiebungshindernisse vorgetäuscht oder selbst herbeigeführt, indem sie Ausweise vernichtet und ihre Identität verschleiert haben. Ein Vorgehen, das sich lohnt. Wer sich lange genug in der Bundesrepublik aufhält, erhält ein Bleiberecht, das auch für Familienangehörige gilt.

„Mehr Konsequenzen bei Abschiebungen“ verlangt de Maizière. Die Zahl der Ablehnungen steige, also „müssen wir mehr für Rückführungen und Abschiebungen machen“. In einigen Ländern sieht man das anders. So weigern sich Berlin, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein aus „humanitären Gründen“ und unter Verweis auf die Sicherheitslage, abgelehnte Afghanen zurückzuschicken, auch wenn Merkel diese Haltung „nicht in Ordnung“ findet. Die Einstufung von Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten wird von Linken und Grünen im Bundesrat verhindert. 

Da den Ländern bei Nichtbefolgung der „Anwendungshinweise“ keine Sanktionen drohen, wie sie inzwischen von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gefordert werden, dürfte sich an der bisherigen Praxis nichts ändern. Dazu kommen das mangelnde Engagement des Auswärtigen Amtes, fehlende Rückführungsabkommen und der nicht vorhandene Wille der Heimatländer der Abgelehnten, Paßersatzpapiere für ihre Staatsbürger auszustellen. Mit Prämien will Merkel abgelehnte Asylbewerber zur freiwilligen Ausreise motivieren. Dafür stehen 90 Millionen Euro Steuergelder bereit.