© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

Grüße aus Bern
Grüne Fee selbstgebrannt
Frank Liebermann


Von seinem Namen her war mir der Absinth schon länger bekannt. Lieb gewonnen habe ich ihn aber erst seit kurzer Zeit. Da bin ich wohl auch nicht der einzige in Bern. Hier eröffnen immer neue Lokale, die selbst das Getränk brennen und vertreiben.


 Absinth ist ein Getränk, welches zu großen Teilen auf Wermut, Anis und Fenchel basiert. Hinzu kommen verschiedene Kräuter, aus deren genauer Mixtur viele Hersteller ein Geheimnis machen. Diese führen zu einer leicht grünlichen Färbung, woher auch der Name „Grüne Fee“ stammt.


Am Wochenende beschloß ich daher, auf Spurensuche zu gehen und einen Ausflug in das Val de Travers im Kanton Neuchâtel zu unternehmen. Im kleinen Ort, der im französischsprachigen Teil der Schweiz liegt, besuchte ich einen legendären Brenner. Nachdem ich das Verkaufslokal gefunden hatte, lud mich der Inhaber in einen Nebenraum ein, der gleichzeitig seine Küche und Destille ist, um die verschiedenen Varianten zu probieren.
Ich stelle nicht nur die berauschende Wirkung fest, auch mein Französisch wird besser.


Zum Brennen sind vier Kessel notwendig, die mit feinen Röhren untereinander verbunden sind. Thujon, ein Bestandteil, der zu Halluzinationen führen kann, sei, so erklärte mit der Brenner, nur noch in so geringen Mengen vorhanden, daß er keine schädlichen Auswirkungen mehr haben könne.


Absinth ist in der Schweiz erst wieder seit dem Jahr 2005 legal erhältlich. Verboten war er in der Schweiz seit 1905, nachdem ein starker Alkoholiker im Absinth-Rausch seine schwangere Frau und zwei Töchter ermordete.
Stolz erzählte der Absinthbrenner mir, daß er bereits vor der Legalisierung gebrannt habe. Das Rezept habe er von seiner Großmutter erhalten. Eine große Fangemeinde besaß er schon lange, zu der auch einheimische Polizisten, Politiker und andere Dorfgrößen zählten.


Für die Einheimischen war sein Treiben daher kein Geheimnis. Seit der Legalisierung ist die Fangemeinde stark gewachsen. Getrunken wird der Absinth in der Schweiz nur mit Eiswasser, auf Zucker wird verzichtet. Das ist vermutlich auch besser so, da der Alkoholgehalt je nach Herstellung bis zu 80 Prozent betragen kann.


Nach ein paar Gläsern spüre ich nicht nur die berauschende Wirkung, sondern stelle auch fest, daß mein Französisch immer besser wird! Als ich am nächsten Tag schwer derangiert erwachte, habe ich kurz darüber nachgedacht, daß das Absinthverbot vermutlich nicht nur Nachteile hatte.