© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

Amerikanischer Rückzug aus Europa
Autoindustrie: GM will Opel an den französischen PSA-Konzern abstoßen / Droht eine Allianz der Abgehängten
Christian Schreiber


Als Donald Trump im Januar die Exportüberschüsse ins Visier nahm und dies mit den vielen Mercedes in New York und den wenigen Chevrolets auf deutschen Straßen illustrierte, war die Häme groß: „Die Qualität stimmt einfach nicht, sie verbrauchen zuviel Sprit, und das Design ist nicht nach dem Geschmack der Deutschen. Zu plump, zu klobig, zuviel Bling-Bling“, ätzte die Welt. Der US-Präsident wisse offenbar auch nicht, daß General Motors seit 1929 Opel habe, mit derzeit 7,3 Prozent Marktanteil in Deutschland.


Seit 1999 machte GM mit Opel keinen Gewinn mehr


Opel sei „eng in den weltweiten GM-Verbund integriert, die wichtigen Entscheidungen fallen in Detroit. Opel und GM kann man nicht trennen. Deshalb wurden die Rüsselsheimer im Krisenjahr 2009 auch nicht verkauft“, belehrte der Welt-Faktencheck die Leser. Doch nur einen Monat später scheint alles anders: GM will seinen Verlustbringer Opel an den französischen PSA-Konzern (Citroën/DS/Peugeot) abstoßen – damit wäre nur noch Ford (2016: 7,2 Prozent Marktanteil) als volumenstarke US-Marke in Deutschland vertreten, und Trump hätte noch ein Argument mehr.


Eine Liebeshochzeit zwischen PSA und Opel wird es nicht. Das Handelsblatt sprach von „einer Allianz der Abgehängten“ und konstatierte, „daß beide der Konkurrenz hinterherfahren“. Formal würde nach VW der zweitgrößte Autokonzern der EU entstehen, aber mit vielen Baustellen. Seit 1999 macht GM mit Opel und dem britischen Ableger Vauxhall keinen Gewinn mehr. Seit 2009 – als GM durch die US-Regierung gerettet wurde – verbuchte der drittgrößte Autokonzern bei seinem Opel-Engagement neun Milliarden Dollar Verlust. 2015 lag des operative Verlust bei 813 Millionen Dollar, 2016 waren es 257 Millionen – trotz erneut gestiegenem Autoabsatz.


Ein Verkauf Opels an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna scheiterte damals. Anschließend kam ein Angebot von Fiat, doch Detroit sagte nein. Die Italiener übernahmen daraufhin den insolventen Chrysler-Konzern, zu dem auch die Legende Jeep gehört. Branchenkenner sagen, dieser Zickzackkurs habe dazu geführt, daß Opel mittlerweile eine unattraktive Marke sei.


Früher baute man in Rüsselsheim Modelle, die Admiral oder Kapitän hießen. Zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders galt man als wer, wenn man einen Opel fuhr. Doch eine radikale Kostensenkungsstrategie – für die exemplarisch der spanische Manager José Ignacio López de Arriortúa (1979 bis 1993) steht – ruinierte den Ruf nachhaltig. Aus einer halben Million Absatz in den neunziger Jahren blieb die Hälfte: 2016 verkaufte Opel nur 243.792 Autos in Deutschland – VW 656.025 Stück.


Opel hat 38.200 Mitarbeiter in ganz Europa, davon etwa die Hälfte in Deutschland. Es gibt Werke in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern. Hinzu kommen die entsprechenden Zulieferer, denn nur wenige Teile sind „Made in USA“. Und die deutsche Politik ist im Wahljahr 2017 besonders hellhörig. Angela Merkel (CDU) versprach, es werde alles, was politisch möglich sei, getan, „daß die Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland gesichert sind“. Für Bund und Länder soll Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) die Gespräche mit GM und PSA sowie der französischen Regierung koordinieren.


Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland gesichert?


Letztere war im Gegensatz zur Bundesregierung von den Übernahmeplänen nicht überrascht worden. Der rund dreimal so große PSA-Konzern – der in Deutschland aber nur auf 3,3 Prozent Marktanteil kommt – und Opel arbeiten bereits seit 2012 in verschiedenen Projekten in Europa zusammen. Daß GM und PSA den Opel-Verkauf unter größter Geheimhaltung schon weit verhandelt hatten, habe „überrascht und irritiert“, erklärte der Opel-Betriebsrat.
GM-Chefin Mary Barra versprach in Rüsselsheim, Opel solle nach einem Verkauf an PSA eigenständig bleiben. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann bezeichnete ein Zusammengehen als „prinzipiell sinnvoll“. Man setze alles daran, die Zukunft von Opel nachhaltig zu gestalten, verbreitete der Manager auf Twitter. „Hier eröffnet sich die Chance, einen europäischen Champion zu schaffen und nach 88 Jahren Zugehörigkeit zu GM ein neues erfolgreiches Kapitel unserer Geschichte aufzuschlagen“, schrieb Neumann in einem Mitarbeiterbrief.


Die Firma Peugeot wurde 1810 als Eisengießerei nahe der Schweizer Grenze gegründet. 1891 begann die Autoproduktion. 1976 wurde Citroën, 1978 die europäischen Chrysler-Werke übernommen. Der französische Diesel-Pionier liefert die für Ford einst exotischen Pkw-Dieselmotoren. Zusammen mit Toyota werden Kleinstwagen und Transporter, mit Mitsubishi E-Mobile und Stadtgeländewagen (SUV) gefertigt. Mit BMW wird bei kleinen Benzinmotoren kooperiert. Der neue, in Spanien montierte Opel Crossland X nutzt die Basis des Citroën C3 und ist die erste Frucht der 2012 vereinbarten Produktionsallianz mit GM.


Dennoch ist PSA nur bedingt erfolgreich. Mehr als fünf Milliarden Euro Verlust verbuchte der Konzern 2013 – den höchsten in der Geschichte des Unternehmens. Der französische Staat und der chinesische Konzern Dongfeng mußten 2014 als Retter einspringen. Die Opel-Beschäftigten in Deutschland sind laut PSA-Chef Carlos Tavares bis Ende 2018 vor Kündigungen geschützt. Aber was kommt danach? Optimisten rechnen mit einem Arbeitsplatzabbau von einem Drittel. Pessimisten vermuten, daß GM sich mit dem Verkauf nicht nur eines Verlustbringers, sondern auch der Pensions- und Abfindungslasten entledigen will.


Im 1962 eröffneten Opel-Werk in Bochum arbeiteten vor 15 Jahren noch 11.000 Beschäftigte. 2014 lief der letzte Opel vom Band. Von den verbliebenen 3.300 Opelanern wechselten 80 Prozent in eine Transfergesellschaft. Bis Anfang dieses Jahres wurden keine tausend neu vermittelt. Wer nicht rentennah ist, dem droht letztlich der Hartz-IV-Bescheid.