© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

Wir irren gründlicher
Künstliche Intelligenz: Warum der Mensch beim Pokern gegen Computerprogramme im Vorteil bleibt
Richard Stoltz


Aufatmen bei Pokerfreunden: Zwar haben jetzt vier der besten Spieler bei einem Turnier gegen ein neues Computerprogramm der US-amerikanischen Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburg, Pennsylvania, verloren. Trotzdem werden Poker-Profis nicht das Schicksal der Schachspieler erleiden müssen. Die haben sich bekanntlich schon damit abgefunden, daß auch ihre raffiniertesten Weltmeister heute von algorithmengesteuerten Computern geschlagen werden. Denn die Entscheidungsmöglichkeiten des Schachspiels sind begrenzt und abzählbar; der Computer rechnet sie in Windeseile durch und irrt sich nie – im Gegensatz zum Menschen, auch zum genialsten Weltmeister.
Beim Pokern aber, so erfahren wir jetzt aus der Studie von KI-Forschern der Carnegie-Mellon-Universität, gibt es keine Begrenzung der Entscheidungsmöglichkeiten, und über Sieg oder Niederlage entscheidet letztlich das Irrtumverbreiten, im Jargon der Carnegie-Mellon-Studie gesprochen: „die unvollständige Information“. Am Ende streicht derjenige den Gewinn ein, der eingefahrene Wege, die sich im Lauf der Zeit bei der Pokerrunde eingeschliffen haben, ignoriert und allerlei Tricks (Mienenspiel, Handbewegungen, Stühlerücken usw.) ins Spiel bringt.


KI-Forscher, also die Erforscher und Entwickler von sogenannter künstlicher Intelligenz, auch höchste Spitzenkräfte unter ihnen, sehen schwarz. Zwar sei die KI wohl in der Lage, den Gipfelpunkt menschlicher Intelligenz zu erreichen, sagen sie, aber nicht den Gipfelpunkt menschlicher Irrtumsfähigkeit. Der Mensch sei nun mal, mehr als etwa Schimpanse, Delphin oder Papagei, ein typisches Irrtumstier. Er irre sich öfter und lerne langsamer.
Ja, wäre dem hinzufügen, wir irren tatsächlich öfter und lernen langsamer, doch dafür ausführlicher und gründlicher. Und wir verstehen es, aus unseren Irrtümern Geld und Macht zu schlagen. Wir sind eben Pokerspieler.