© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

Medien mit Migrationshintergrund
Die Magazine „Migazin“ und „Biber“ artikulieren die Interessen von Einwanderern, ermöglichen aber auch kritische und politisch unkorrekte Einblicke in ihre Lebenswelten
Ronald Berthold


Eine deutsche Onlinezeitung, die ausschließlich für Migranten und ihre Bedürfnisse wirbt, scheint aufgrund der zuwanderungsfreundlichen Berichterstattung der Leitmedien nicht unbedingt eine Nische zu sein. Doch die Macher des Migazins haben eine „mediale Schieflage“ entdeckt, die sie „begradigen“ möchten. Ziel sei „die Förderung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Partizipation“ von Ausländern. Das gegenseitige Interesse und Verständnis könne nur gefördert werden, „wenn auch der deutschsprachige Arbeitskollege, Nachbar oder Freund weiß, was die Interessen, Sorgen und Ängste seiner nichtdeutschstämmigen Mitbürger sind“.

Ein Anhänger Erdogans als Herausgeber


Dabei gibt das Migazin vor, ein Online-Portal für alle zu sein, die an einer „niveauvollen und sachlichen Diskussion“ interessiert seien. Die Meldungen sind tatsächlich meist ohne Wertung verfaßt. Bei den Meinungsbeiträgen geht es dagegen hart zur Sache: Ein Autor bezichtigt die Teilnehmer von „Montagsdemonstrationen“, einer „in weiten Teilen rechtsradikalen Gesinnung“ und greift zum Vokabular, das zur Diffamierung Andersdenkender parat liegt: „xenophob, homophob, unreflektiert postkolonialistisch“.


Das Beharren auf der deutschen Leitkultur ist für das Migazin „Zeugnis einer Verweigerung, diesen bereits vollzogenen Wandel der Gesellschaft anzuerkennen“.


Auch mit Politikern etablierter Parteien geht das Medium, das sich über Werbung und Spenden finanziert, nicht zimperlich um. Im Zusammenhang mit Entwicklungshilfeminister Gerd Müller heißt es: „Die blanke rassistische Ideologie ist Grundlage für alle nationalsozialistische Politik.“ Und selbst FDP-Chef Christian Lindner wird hart dafür rangenommen, daß er die Äußerungen von EU-Kommissar Günther Oettinger über Chinesen („Schlitzohren und Schlitzaugen“) lediglich als „Entgleisungen“ verurteilte, aber auch auf „schwerwiegendere Probleme“ in Deutschland hinwies. Das sei „nichts anderes als Rassismus in der Demokratie“.


Über die angeblich rassistischen Einstellungen von Horst Seehofer und Wolfgang Bosbach führt der Autor keine Beispiele an: Das „wäre zu einfach“.


Das Migazin wird von Herausgeber Ekrem Senol geführt. Senol schrieb neben The European auch schon für Cicero. Dort verfaßte er 2014 eine Lobeshymne auf den heutigen türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan: Dieser sei „charismatisch und wortgewandt“. Er rede „Klartext und selten vorformuliert. Das macht ihn zu einem Sympathieträger.“


Unter Erdogan seien „die Rechte der Minderheiten gestärkt worden wie nie zuvor in der Geschichte der Republik Türkei“. Senol beklagt, daß „die mediale Wirkung“ in Deutschland anders sei. Als Beispiel dafür nennt er ausgerechnet  Erdogans „integrationspolitische Äußerungen“.


Bei allen Deutschlandbesuchen habe er „an seine Landsleute eindringlich appelliert, Deutsch zu lernen, sich einzubringen, teilzuhaben, sich zu integrieren“. In Köln hatte Erdogan allerdings gesagt: „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Aber darin bestehe, so Senol, „nicht einmal ein Dissens“ mit Bundeskanzlerin Merkel.


Obwohl das Migazin den Grimme-Online-Award gewonnen hat, nimmt sich die Breitenwirkung bescheiden aus. Bei Facebook hat es 15.000 „Gefällt mir“-Angaben (zum Vergleich: JUNGE FREIHEIT: 123.000).
Interessant ist auch, daß nicht alle Leser mit dem Thema Migration kritiklos umgehen: 37 Prozent der Leser befürworten in einer Online-Umfrage das bisher untersagte „Racial Profiling“ der Polizei, 16 Prozent meinen, es solle ausnahmsweise erlaubt sein, und nur weniger als die Hälfte (46 Prozent) ist dagegen.

 www.migazin.de