© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

Knapp daneben
Gelungene Integration
Karl Heinzen


Arglos hatte sich Anna Petkovic mit ihren Mitstreiterinnen des deutschen Tennisteams auf den Weg nach Hawaii gemacht, um im Federation Cup gegen die USA zu bestehen. Was ihr während der Eröffnungszeremonie widerfuhr, schockierte sie jedoch so nachhaltig, daß sie das Auftaktspiel gleich krachend verlor.

Was hatte sich zugetragen? Mußte Petkovic mit ansehen, wie ein Tsunami über das Inselparadies hinwegfegte? Zog sie sich beim Aufwärmen einen mehrfachen Kreuzbandriß zu? Oder wurde sie gar gezwungen, Donald Trump die Hand zu schütteln?

Alles war noch viel furchtbarer. Anstatt die deutsche Nationalhymne wortlos zu intonieren oder wenigstens bloß Einigkeit und Recht und Freiheit zu beschwören, ließen die Gastgeber die erste Strophe des umstrittenen Gassenhauers anstimmen.

„Deutschland, Deutschland über alles“, schallte es da durch das weite Rund, so als hätten die Amerikaner all die Kriege vergessen, die einst erforderlich waren, diese Parole zum Verstummen zu bringen.
Kommt man ins Gefängnis, wenn man die erste oder zweite Strophe singt?

Wer soll da durchblicken?

Wollte die neue US-Administration damit ein Signal an ihre Gesinnungsgenossen hierzulande senden, wie Verschwörungstheoretiker vermuten? Oder handelte es sich doch nur um eines der Mißverständnisse, die Amerikanern so häufig unterlaufen, wenn sie versuchen, das belanglose Europa mit seinen absurden Traditionen und Befindlichkeiten zu begreifen? Schließlich wissen auch viele Deutsche nicht so recht, was sie von „ihrer“ Hymne zu halten haben.

Haben wir es hier vielleicht doch mit einem Nazilied zu tun, das bloß versehentlich nicht verboten wurde? Kommt man ins Gefängnis, wenn man die erste oder zweite Strophe singt? Wer soll da durchblicken?

Fest steht jedoch: Anna Petkovic hat vorbildlich reagiert. Und mehr noch: Die Tochter bosnisch-serbischer Einwanderer ist ein leuchtendes Beispiel für gelungene Integration. Bei so manchen Migranten, die unsere Staatsbürgerschaft annehmen, müssen wir befürchten, daß sie aus lauter Dankbarkeit maßlose Patrioten werden. Anna Petkovic zeigt, daß es auch anders geht.