© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/17 / 03. März 2017

Sag, wo die Soldaten sind
Bundeswehr: Das Verteidigungsministerium plant die personelle Aufstockung der Truppe / Unklar bleibt, woher der Nachwuchs kommen soll
Peter Möller

Im anstehenden Bundestagswahlkampf wird Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wieder häufiger im Rampenlicht stehen. Der ehemalige Verteidigungsminister soll für seine Partei mehrere Großveranstaltungen bestreiten. Der charismatische Ex-Politiker zieht noch immer, lautet offenbar das Kalkül der CSU-Strategen.

Im Berliner Bendlerblock sind viele dagegen nicht mehr allzu gut auf ihren ehemaligen Chef zu sprechen. Vor allem eine Entscheidung bereitet den Personalplanern des Verteidigungsministeriums immer mehr Kopfzerbrechen: die von Guttenberg 2011 aus dem Hut gezauberte Aussetzung der Wehrpflicht. Mit den Folgen dieser weitreichenden Entscheidung hat die Bundeswehr heute mehr denn je zu kämpfen. Die Armee leidet unter chronischem Personalmangel. Verschärft wird diese Situation durch die seit 2011 deutlich verschärfte internationale Sicherheitslage. Denn plötzlich stehen in Deutschland lange aus der politischen Diskussion verbannte Begriffe wie Aufrüstung und Vergrößerung der Bundeswehr wieder auf der Tagesordnung.

Derzeit umfassen die Teilstreitkräfte zusammen insgesamt 177.956 aktive Soldaten. Davon sind 167.977 Berufs- und Zeitsoldaten und 9.979 Freiwillig Wehrdienstleistende (siehe Grafik). Doch wenn es nach Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geht, soll die Armee wieder auf knapp unter 200.000 Soldaten anwachsen. Bis 2024 plant ihr Ministerium, 5.000 militärische und 1.000 zivile Posten neu zu schaffen. Die Bundeswehr würde dann auf eine militärische Sollstärke von 198.000 Soldaten und rund 61.400 Zivilbeschäftigte kommen.

Zeitsoldaten wird die      Rückkehr schwergemacht

Hintergrund für die Pläne sind die gewachsenen internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr, etwa an der Ostgrenze der Nato. Nachdem sich das Verhältnis des Verteidigungsbündnisses zu Rußland durch die Ukraine-Krise nachhaltig verschlechtert hat, ist die Bundeswehr regelmäßig auch in den baltischen Staaten mit Truppen präsent. Hinzu kommen die andauernden Einsätze unter anderem in Afghanistan, Mali und dem Kosovo. Von der Leyen verweist zudem auf neue Aufgaben wie die Fähigkeit zur Cyber-Kriegsführung, die unter ihrer Führung massiv vorangetrieben werden. „Mit ihren Aufgaben muß auch die Bundeswehr wachsen dürfen“, sagte von der Leyen mit Blick auf die angestrebte Vergrößerung der Truppe.

Doch woher sollen die neuen Soldaten kommen? Schon jetzt erreicht die Bundeswehr ihr angestrebtes Soll von 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten nicht. Obwohl ausscheidende Soldaten im vergangenen Jahr sogar mit Prämien gelockt wurden, ihren Dienst für mehrere Monate zu verlängern, sank die Zahl der tatsächlich besetzten Stellen Anfang des Jahres erneut. Wenn das Verteidigungsministerium nun Berufssoldaten ermuntern will, später in den Ruhestand zu gehen, und Zeitsoldaten vermehrt als Berufssoldaten übernommen werden sollen, wird dies daher kaum ausreichen, die jetzt schon klaffende Personallücke zu stopfen – von einem Wachstum derselben einmal ganz abgesehen.

Beispiele aus der Praxis zeigen zudem, daß es die Bundeswehr ehemaligen Zeitsoldaten, von denen sich nicht wenige eine Rückkehr in die Truppe durchaus vorstellen könnten, immer noch unnötig schwermacht. Wenn etwa ein Hauptmann der Reserve, der sich wieder verpflichten will, von den Karriereplanern der Bundeswehr aber nur angeboten bekommt, dies erneut als Zeitsoldat zu tun, mit der sehr vagen Aussicht, irgendwann als Berufssoldat übernommen zu werden, dann mindern diese unsicheren Zukunftsaussichten die Rückkehrbereitschaft massiv.

Angespannt ist die Personallage zudem nicht nur beim militärischen Personal, sondern auch bei den Zivilbeschäftigten, die etwa als Techniker, Juristen oder Computerexperten bei der Bundeswehr arbeiten. Schon heute fehlen hier allein 2.200 Beamte. Durch den geplanten Aufwuchs müßten nun jährlich mindestens 6.000 neue Zivilisten eingestellt werden, um die regulären Abgänge sowie die anstehende Pensionierungswelle auszugleichen und gleichzeitig das gewünschte Beschäftigungsplus zu erreichen, rechnen Fachleute vor.

Mit Blick auf die Pläne zur Vergrößerung der Bundeswehr war es angesichts der Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Soldaten nur eine Frage der Zeit, bis das Thema Wiedereinführung der Wehrpflicht zurück auf die politische Tagesordnung kommt. Als einer der ersten wagte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg aus der Deckung. „Die wachsende Verantwortung Deutschlands als internationaler Akteur muß mit einer Vorbildfunktion bei der Verteidigungsfähigkeit einhergehen. Dazu gehört auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht“, sagte er der Heilbronner Stimme. Ähnlich äußerte sich der CDU-Abgeordnete und Präsident des Reservistenverbandes, Oswin Veith. „Wir als Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr sprechen uns für die Aktivierung der ausgesetzten Wehrpflicht aus, allerdings in Form der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht.“

Wenig begeistert zeigte sich dagegen der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels: „Angesichts der sicherheitspolitischen Lage ist die Wehrpflicht weder erforderlich noch schnell reaktivierbar“, sagte der SPD-Politiker.  Bartels verwies damit darauf, daß bei der Aussetzung der Wehrpflicht aus Kostengründen ganze Arbeit geleistet wurde. So wurden die für die Erfassung und Musterung der Wehrpflichtigen notwendigen Kreiswehrersatzämter Ende 2012 aufgelöst und durch „Karrierecenter“ ersetzt. Ein für die Aktivierung der Wehrpflicht notwendiger Wiederaufbau dieser Strukturen wäre nur mit erheblichem Zeitaufwand und entsprechenden finanziellen Mitteln möglich.

Auch aus diesem Grund dürfte keiner der großen Parteien daran gelegen sein, das Thema Wehrpflicht ausgerechnet im Bundestagswahlkampf überhaupt zu diskutieren. Das dürfte ganz sicher auch im Sinne des CSU-Wahlkämpfers und „Wehrpflicht-Killers“ Karl-Theodor zu Guttenberg sein. 





Schluß mit der Schrumpfkur?

Neben der Größe der Bundeswehr steht auch immer wieder ihr Auftrag im Fokus der Debatte. Laut einer aktuellen Dimap-Umfrage für den Bayernkurier sprechen sich 68 Prozent der Deutschen dafür aus, daß die Truppe in bestimmten Situationen auch im Landesinneren eingesetzt werden kann – etwa zur Abwehr von Terroristen. Lediglich 29 Prozent lehnen einen Einsatz deutscher Soldaten im Inland ab.