© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Pankraz,
Hans Hoff und die medialen Türrüttler

Vorsicht vor Steinwürfen aus dem Glashaus! Trotzdem will Pankraz im folgenden ein bißchen über journalistische Anmaßungen und Fehleinschätzungen reden; dergleichen scheint bitter notwendig. Soeben hat Hans Hoff (61), gut vernetzter Kolumnist und Medienexperte, über die Gründung eines neuen „TV-Investigativformats“ spekuliert, und was man zu hören kriegt, klingt doch allzu polizistisch-autoritär, als daß man einfach darüber hinweggehen könnte.

Standardelement eines solchen Formats, meint Hoff, müsse „der Überfallbesuch eines Kamerateams“ nebst energischen „Rüttelns an verschlossenen Türen“ sein. Originalton Hoff: „Ich verspreche, wir füllen mit Rütteln, Überfallbesuchen und Bildern von quellendem Faxpapier problemlos eine Dreiviertelstunde. Wir sind zudem extrem günstig im Preis, weil wir direkt losfahren und unsere Zeit nicht mit Telefonieren oder Anmeldungen oder Akkreditierungen verplempern. Wir gehen direkt dahin, wo es weh tut. Rüttel. Rüttel.“

Moderner TV-Journalismus (nur dieser?) soll also weh tun. Es genügt den beteiligten Journalisten nicht mehr, sich als eine Art Polizei aufzuführen, als vierte Gewalt im Staat, welche über die Einhaltung von Gesetzen wacht und Verstöße dagegen aufzeigt und zur Sprache bringt, nein, man will nicht nur aufzeigen, sondern dabei ausdrücklich Krawall machen, Angst und Schrecken verbreiten, die Sau herauslassen. Der zu enthüllende Gesetzesverstoß wird zur Nebensache, im Mittelpunkt stehen die Enthüller selbst, die sich wichtig machen und als die größten Helden der Neuzeit feiern lassen. 


Hinzu tritt ein ausgesprochen politisches Moment. Die medialen Türrüttler und Krawallmacher verstehen sich mittlerweile durchweg als Avantgarde der sogenannten „Gutmenschen“, als die „eigentlichen“ Politiker, die den Berufspolitikern in Berlin und anderswo die Stichworte liefern. Der SPD-nahe Groß-Blogger Wolfgang Michal (Carta, Freischreiber e.V.) sprach kürzlich in Hinblick auf heutige Journalisten von „politisch-idealistischen Kampfgruppen“, die die Richtung der Politik endlich selber bestimmen wollten – und es auch könnten. 

„Die großen Medien“, schrieb er in seinem Blog, „die ‘dem Internet’ vor Jahren noch erzählten, was guter und verantwortungsvoller Journalismus ist (nämlich professionelle Zurückhaltung), wurden im Verlauf eines knappen Jahrzehnts zu Parteien, die für die gute Sache kämpfen – so wie politische Parteien, Internet-Konzerne oder NGOs seit jeher für sich in Anspruch nehmen, für die gute Sache zu kämpfen.“ Michal meinte es positiv. „To Make The World A Better Place“.

Pankraz seinerseits sieht das von Michal so bejubelte, leider durchaus reale Tableau als reines Horrorszenario. Die Journalisten, einst von dem berühmten Zeitungswissenschaftler Emil Dovifat als „Belletristen der Faktizität“ apostrophiert, heute nur noch Kampfgruppenmitglieder, unter einer Decke steckend mit den herrschenden, verbissen um ihre Pfründe kämpfenden Parteipolitikern, die urjournalistische Tugend der bewußten Zurückhaltung und Parteilosigkeit nur noch verhöhnt und niedergemacht – schlimmer geht’s an sich gar nicht mehr.

Trotzdem werden hierzulande die in Kampfgruppen vereinigten Türrüttler in den Medien geradezu pompös gefeiert, das heißt, sie feiern sich selbst und brandmarken jeden als Demokratiefeind, der sich von ihnen nicht die Tür eintreten und sich nicht von ihnen kontrollieren lassen will. Meinungsfreiheit wird automatisch gleichgesetzt mit Alle-sollen-dasselbe-sagen. Privatsphäre gibt es nicht mehr, Wer sich dem „Kommunikationsprozeß“ entzieht oder das Falsche sagt, steht schon mit einem Bein im Gefängnis.

Angesichts dieser inneren Misere fällt zweifellos auch ein fahles Licht auf die Berichterstattung hiesiger Korrespondenten aus fremden Ländern, in denen andere Traditionen und spezielle historische Erinnerungen herrschen und wo die politischen Grundbegriffe nicht immer genau mit den unseren übereinstimmen. Gerade für Auslandskorrespondenten in solchen Ländern müßte das Gebot der zur Zeit so sehr verhöhnten journalistischen Zurückhaltung und der klugen Wortwahl gelten, eben echte Belletristik der Faktizität.


Wer – wie die Berliner Tageszeitung Die Welt – einen Korrespondenten mit doppelter, in diesem Fall auch türkischer, Staatsangehörigkeit in die Türkei schickt, darf sich wirklich nicht wundern, wenn dieser bei heiklen politischen Themen wie zum Beispiel dem Kurden-Konflikt ins Visier und unter die Kuratel des herrschenden, sichtbar auch von der Volksmehrheit gestützten Regimes gerät. Seine Ernennung zum Korrespondenten war eine Torheit, bestenfalls. Man kann jetzt nur hoffen, daß das Abenteuer für ihn einigermaßen glimpflich ausgeht und er seinen neuen Ruhm bald in Freiheit genießen kann. 

Die Wirklichkeit für heutige Korrespondenten sieht bekanntlich anders aus. Das Schreckwort vom „Roboterjournalismus“ geht unter ihnen um.  „Wir schauen gar nicht mehr richtig hin“, hört man immer öfter, „und wir urteilen auch gar nicht mehr selber, sondern orientieren uns an irgendwelchen Algorithmen, deren Herkunft meist intransparent ist. Und die Auftraggeber in den Führungsetagen der Heimatredaktion denken ohnehin nur noch über die Einsparung von Personal- und Reisekosten nach.“

Merkwürdig und bemerkenswert: Das Standesbewußtsein moderner Journalisten ist also, allgemein betrachtet, gar nicht so arrogant, wie es die Türrüttlerprosa von Hans Hoff vermuten läßt. Wohl nur wenige von ihnen halten sich tatsächlich für eine vor allen anderen ausgezeichnete Rasse und finden überhaupt nichts dabei, Ereignisse zu simulieren, etwa indem sie randalierenden Jugendlichen Geld zustecken, damit sie die Hände zum Hitlergruß recken und „Sieg Heil“ brüllen.

„Man soll sich vor uns zu Tode fürchten“, deklarierte einst der Starjournalist Henri Nannen. Aber die meisten fürchten sich vor allem selber, und zwar vor sich selber.