© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Dorn im Auge
Christian Dorn

Eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, wie sie jüngst im einstigen „Tal der Ahnungslosen“ ausgerufen wurde, ist so kunstlos wie eine verunglückte Pirouette. Anschauungsunterricht bietet da – bis zum 26. März 2017 – das Künstlerhaus Bethanien (www.bethanien.de). Hier präsentiert der Künstler Edgar Leciejewski (www.edgarl.de) seine Porträtstrecke „A Circle Full of Ecstasy“, die 77 Politiker zeigt, die den rechten Arm heben, darunter Kim Jong-un, Papst Franziskus, Donald Trump oder Recep Tayyip Erdogan. Als versprächen sie alle das Blaue vom Himmel, erscheinen die aus Presseveröffentlichungen entnommenen Aufnahmen als Cyanotypien, einem alten Fotodruckverfahren, das cyanblaue Farbtöne hervorbringt. Zu den trefflichsten Motiven zählen zwei Bilder von Angela Merkel: Einmal mit der nach oben abgewinkelten rechten Hand, an John Heartfields Hitler-Montage mit dem Motto „Millionen stehen hinter mir!“ erinnernd, zum anderen mit dem halbhoch gestreckten Arm eines typischen Führergrußes. Von seltsamer Symbolik ist eine gemeinsame Aufnahme von Barack Obama und Joachim Gauck, als dirigiere die auf Gaucks rechtem Schulterblatt ruhende Hand des US-Präsidenten die zwischen Gruß und Segen verharrende Geste des deutschen Bundespräsidenten. Der Clou jedoch ist die Anordnung der Porträts, dreht sich doch der Körper der jeweils abgebildeten Person ein klein wenig, so daß sich über den Verlauf der Bildstrecke eine Drehung um 360 Grad ergibt.


Auf je eigene Art dekuvrierend wirken im Raum nebenan die Großaufnahmen von männlichen Protagonisten der Wave-Gothic-Szene. Die vom Leipziger Fotografen Erasmus Schröter als „Contest“ versammelten sieben Porträts, besser: Mimosen des Mimetischen – etwa in der effiminierten Nachäffung Marilyn Mansons –, offenbaren unerbittlich die Künstlichkeit der jeweiligen Selbstinszenierung. Auch der Fetisch in Form eines SS-ähnlichen Kostüms verhüllt letztlich nur die Feigheit vor der originalen Uniform.


Ein echt bellender Kommandoton eignet dagegen Herbert Grönemeyer. So erzählt der begnadete Chansonnier Stephan Sulke in seinem Konzert in der „Bar jeder Vernunft“, wie ihn einst „ein Blonder aus Bochum“ besuchte, um Sulkes Titel „Ich hab Dich bloß geliebt“ nachzusingen. Doch der „Blonde“ habe nur „gewaut“. Das Lied handele „von der Dame, die nicht mehr da ist – kein Wunder, wenn der so bellt“. Diese und andere Anekdoten erwarten die Besucher auf Sulkes aktueller Deutschlandtournee bis zum 2. April (www.stephansulke.com).