© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Ein Friedensfürst, der nur im Krieg regierte
Kaiser Karl: Die Historikerin Eva Demmerle weist in Berlin auf die Bedeutung des letzten österreichischen Regenten hin
Paul Lapp

Die Biographie Eva Demmerles über den letzten Kaiser des k.u.k.-Reiches, „Kaiser Karl – Mythos und Wirklichkeit“, widmet sich unter Berücksichtigung zahlreicher, bisher unveröffentlichter Quellen dem einzigen Staatschef der kriegsführenden Mächte, der ernsthaft versuchte, den Ersten Weltkrieg zu beenden. Als solchen beschrieb ihn der französische Dichter Anatole France: „Kaiser Karl war der einzige anständige Mensch, der in diesem Krieg auf einem führenden Posten aufgetaucht ist. Er wünschte ehrlich den Frieden, und deshalb wurde er von der ganzen Welt verachtet. So wurde eine einmalige Gelegenheit verscherzt.“

Auf einer Kooperationsveranstaltung mit den Christdemokraten für das Leben (CDL) stellte die Historikerin ihr Buch Ende Februar in der Bibliothek des Konservatismus vor. Der Berliner CDL-Landesvorsitzende Stefan Friedrich führte Demmerle als Zeitzeugin und enge Vertraute der Habsburger ein. Von 1995 bis zu seinem Tode 2011 war sie persönliche Referentin des ältesten Sohnes und designierten Nachfolgers Kaiser Karls: Otto von Habsburg, dem langjährigen CSU-Europaabgeordneten und Präsidenten der Paneuropa-Union.   

Demmerle führte aus, daß Kaiser Karl zudem als einziger politischer Entscheider den Alltag des modernen Krieges kannte, da er selbst in den Schützengräben als Verbindungsoffizier des Oberkommandos stand und das Leid der Soldaten am eignen Leibe erfuhr, bevor er 1916 den Thron bestieg. Als Oberbefehlshaber der Armee erkannte Kaiser Karl früh die aussichtslose Lage der Mittelmächte. 

Daher versuchte er über seinen Schwager, Prinz Sixtus von Bourbon-Parma, den Entente-Mächten England und Frankreich konkrete Angebote zu unterbreiten – nach vorheriger Konsultation mit Kaiser Wilhelm II. Vor allem England reagierte positiv, allein Italien stellte sich quer. Doch nicht nur von außen wurde seine Initiative torpediert, auch die Oberste Heeresleitung verweigerte jegliche Unterstützung. Trotz mehrfacher Versuche, auch unter Bezugnahme auf den Friedensappell von Papst Benedikt XV., wurden seine Friedensbemühungen sowohl von den Entente-Mächten, als auch im Deutschen Reich immer wieder hintertrieben.

Im Innern erarbeitete Karl ein modernes Konzept der Föderalisierung Mitteleuropas, welches nach Kriegsende und erzwungenem Exil jedoch nicht mehr umgesetzt werden konnte. Weitsichtig fürchtete er den Nationalismus im ethnisch heterogenen Donauraum. Das Blutvergießen auf dem Balkan, insbesondere nach 1941, mußte er nicht mehr erleben: 1922 verstarb Kaiser Karl entkräftet im Alter von nur 35 Jahren im Exil auf Madeira. Eva Demmerle präsentierte den 2004 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochenen Karl als Mann mit klaren Vorstellungen und Reformwillen, der bei einer längeren Regierungszeit imstande gewesen wäre, die Habsburger Monarchie in die Moderne hinüberzuretten.

Eva Demmerle: Kaiser Karl. Mythos und Wirklichkeit. Amalthea Signum Verlag, Wien 2016, gebunden, 230 Seiten, 25 Euro