© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Frisch gepresst

Hamann. Als der 1934 im Kreis Wehlau geborene Oskar Negt im Rigorosum von seinem Landsmann, dem Sprachphilosophen Bruno Liebrucks, „in einem penetrant ostpreußischen Dialekt“ nach einem berühmten Kant-Kritiker aus Königsberg gefragt wurde, mußte der Schüler des Mitprüfers Adorno passen. Hatte er im Studium bei Horkheimer und Adorno den Namen Johann Georg Hamann (1730–1788) doch nie gehört. Erst 34 Jahre später, als „Heimweh“-Tourist unterwegs im „Oblast Kaliningrad“, wußte Negt, mittlerweile ein bekannter neomarxistischer Soziologe, besser Bescheid. Weil ihm Hegels Besprechung der in den 1820ern veröffentlichten Hamann-Schriften ein Licht aufgesteckt hatte. Für Hegel sei Hamann als Antipode Kants der „Antisystematiker“ schlechthin gewesen. Von dem eine verborgene, „existentialistische“ Traditionslinie europäischen Denkens ausgehe, die über Kierkegaard und Nietzsche zu Heidegger und Sartre führte. Sie verstünden den Menschen nicht, wie die Philosophen der rationalistischen Hauptlinie, Kant, Hegel, Marx, als autonomes Vernunftwesen, sondern als „rätselhaftes Selbst“, dessen Ängste und Verzweiflungen nicht auf den Begriff zu bringen seien. Wer sich wie Negt den Zugang zum sperrigen, aber unverzichtbaren „Magus“ Hamann über Hegel erschließen möchte, dem bietet Till Kinzel jetzt eine handliche, mit einem instruktiven Nachwort versehene Neuausgabe von dessen Besprechung aus dem Jahr 1828. (wm)

Till Kinzel (Hrsg.): G. W. F. Hegel. Hamanns Schriften. Notiz zu Hamann. Karolinger Verlag, Wien/Leipzig 2016, broschiert, 124 Seiten, 19,90 Euro





Elbslawen. Das Interesse des Schriftstellers Baal Müller gilt eher heidnischer Mystik als christlicher Überlieferung. Für seinen jüngsten Lyrikband hat er jene Spuren zwischen der Stubbenkammer auf Rügen und der Oberlausitz aufgefischt, wo noch heute mit den Sorben die letzten Nachfahren der bis zum Hochmittelalter hier hausenden Wenden anzutreffen sind. Seine Gedichte, Zeugnisse fabelhafter Sprachgewalt mit recht dunklem Pathos, kreisen um die Sagenwelt und den Götterkosmos dieser vorchristlichen Elbslawen. Ob der Schöngeist damit sogleich die bisher nie geschriebene „Wendische Edda“ andeutet, könnte aber bei manchem zumindest eine hauchzarte Skepsis wachrufen. (bä)

Baal Müller: Wendische Fahrt. Arnshaugk Verlag, Neustadt an der Orla 2016, gebunden, 96 Seiten, 15 Euro