© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Die Furcht vor den Rucksack-Salafisten
Terrorgefahr II: Wegen konkreter Hinweise auf einen möglichen Anschlag ließ die Polizei ein Einkaufszentrum in Essen räumen / Verbindung zu „Islamischem Staat“
Christian Schreiber

Der mutmaßlich geplante Selbstmordanschlag auf ein Einkaufszentrum in der nordrhein-westfälischen Metropole Essen sollte offenkundig von drei Attentätern verübt werden, die nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes eindeutig der Terrormiliz „Islamischer Staat“ zuzuordnen sind. Die Sicherheitsbehörden gehen nach Informationen der Tageszeitung Die Welt davon aus, daß der Auftraggeber ein islamistischer Gefährder aus Oberhausen ist. 

Identitäten nicht eindeutig festgestellt

Dabei soll es sich um den 24jährigen Imran Rene Q. handeln, der 2015 über die Türkei nach Syrien ausgereist war. Zuvor soll er längere Zeit in Oberhausen gelebt haben. Das Landeskriminalamt hatte den Mann seit Spätsommer 2015 als Gefährder auf der Liste. Er soll via Chat im Netzwerk Facebook mehrere Islamisten rekrutiert und für einen Anschlag geworben haben. Drei Personen habe er aufgefordert, an einem konkreten Ort zu einer konkreten Zeit einen Anschlag zu begehen. „Diese Aufforderung ist im Rahmen eines sozialen Netzwerkes ergangen“, sagte Oberstaatsanwalt Mathias Proyer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Nach Angaben der Bild-Zeitung soll der Salafist den Komplizen Anleitungen zum Bau von Bomben gegeben haben.  

Die Behörden in Nordrhein-Westfalen wollten diese Informationen aus ermittlungstaktischen Gründen zu Wochenbeginn nicht kommentieren. Die entsprechenden Informationen über den geplanten Anschlag hatte der Bundesnachrichtendienst abgefangen. Es sei sehr ungewöhnlich, daß im Netz so offen Anschlagspläne preisgegeben würden, teilte ein Sprecher des Innenministeriums lediglich mit. Zwei Personen, die zunächst vorläufig festgenommen wurden, sind seit Montag wieder auf freiem Fuß. Ihnen sei nach Auskunft von NRW-Innenminister Ralf Jäger keine unmittelbare Tatvorbereitung nachzuweisen. Der SPD-Politiker versicherte weiterhin, es lägen keine Anhaltspunkte vor, daß mit konkreten Durchführungsvorbereitungen für einen Anschlag begonnen worden sei. 

Dennoch wurde am Samstag ein beliebtes Einkaufszentrum in der Essener Innenstadt mehrere Stunden lang geräumt und die Umgebung weiträumig abgeriegelt. Die Informationen über den möglicherweise bevorstehenden Anschlag gingen noch vor Öffnung ein. Schwer bewaffnete Polizeibeamte mit Schutzwesten hatten das Gebäude, das zu den größten Einkaufszentren in Deutschland zählt, umstellt. Eine Hundertschaft Polizisten suchte drinnen mit Spürhunden nach versteckten Sprengsätzen. Die Mitarbeiter und Reinigungskräfte, die sich bereits vor Öffnung des Zentrums in den Verkaufsräumen eingefunden hatten, mußten das Gebäude verlassen. 

Der Plan der Terroristen hatte nach Informationen der Welt vorgesehen, daß drei Selbstmordattentäter mit in Rucksäcken versteckten Bomben gegen 16.30 Uhr hätten zuschlagen sollen. Um diese Zeit halten sich normalerweise mehrere tausend Menschen in dem Gebäudekomplex auf. Der Verfassungsschutz soll erst wenige Tage vor dem Vorfall auf den Verlauf in dem Facebook-Nachrichtendienst gestoßen sein. Daraufhin habe sich die Behörde zu einer Informationsabfrage beim Anbieter entschlossen. Der US-Internetriese sei dabei äußerst kooperativ gewesen, dennoch konnten die Behörden die Identitäten der mutmaßlichen Attentäter nicht eindeutig feststellen. Unklar ist bislang, welche Rolle die beiden vorübergehend festgenommenen Personen spielen könnten. Die Ermittler gehen bisher davon aus, daß es sich zwar um Kontaktpersonen der Verdächtigen handeln könnte, diese aber nicht unbedingt in die Attentatspläne eingeweiht gewesen sein müssen. 

Das Einkaufszentrum wurde am Montag wieder eröffnet, eine Gefahrensituation bestehe nicht mehr. Innenminister Jäger gab vorsichtige Entwarnung. „Die Sicherheitsbehörden sind sensibilisiert und sehr wachsam.“ Das Vorgehen in Essen zeige, „daß sie sehr gut zusammenarbeiten und ihre Informationen untereinander eng austauschen“. 

Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist Deutschland im vergangenen Jahr auf der IS-Terrorliste weiter nach oben gerutscht. Es befinden sich derzeit 602 Gefährder im Land, die Anschläge verüben könnten. 


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