© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Das Märchen von Quakenbrück
Wahlfälschung: In der niedersächsischen Kommune mußte die Briefwahl wiederholt werden
Paul Leonhard

Die Briefwahl in ihrer jetzigen Form sollte abgeschafft werden. Das fordert Forsa-Chef Manfred Güllner. „Wir schicken in alle Welt Wahlbeobachter, aber tolerieren hierzulande eine Briefwahl, bei der der Betrug leichtgemacht wird“, sagte Güllner der Neuen Osna-brücker Zeitung (NOZ). Niemand könne sicherstellen, ob wirklich derjenige, der vermeintlich die Wahlunterlagen angefordert hat, auch auf dem Wahlbogen abgestimmt habe. 

Anlaß für diesen Vorstoß ist eine Briefwahlaffäre im niedersächsischen Quakenbrück. Dabei dürfte das Städtchen im Landkreis Osnabrück mit knapp 13.000 Einwohnern eigentlich so recht nach dem Geschmack der etablierten Parteien sein, wenn diese von einem künftigen Deutschland träumen: Hier leben Menschen mit 80 verschiedenen Staatsbürgerschaften. 36,6 Prozent der Einwohner haben gemäß Zensus 2011 einen Migrationshintergrund. 

2004 betrug der Anteil der Spätaussiedler unter den Einwohnern 17,2 Prozent. Aber auch Russen, Polen und Griechen kamen nach Quakenbrück. Bei den Griechen etwa handelt es sich wiederum vor allem um Westthrakientürken, die in einer Reportage der NOZ von Anwohnern als „bildungsfern“ und „leichtgläubig“ bezeichnet werden: „Die Quakenbrücker Neustadt mit ihren 80 Nationalitäten und Kulturen vereint auf kleinstem Raum die Probleme und Herausforderungen einer globalisierten Welt und eines freizügigen Europas.“

Vor allem aber leben hier rund 1.500 Griechischstämmige, und bei diesen beginnt wohl das „Wahlmärchen von Quakenbrück“ (NOZ) beziehungsweise der „Aufruhr in Quakenbrück“, wie „NDR Info“ in einer Glosse spottete, in der die Fälscher erst „Unterschriften kopierten und dann die Weltherrschaft über das Einfallstor Quakenbrück an sich reißen wollten“. Dabei sei doch Wahlbetrug hier tief im Westen einfach unvorstellbar.

Das fand auch die Linkspartei, die aus ihrer Vergangenheit als SED jahrzehntelange Erfahrungen mit Wahlfälschungen aller Art hat. Daß sie bei den Kommunalwahlen im vergangenen September 21,55 Prozent der Stimmen holten, hielten die Genossen durchaus für möglich und rechneten es sich ihrem Engagement an den sozialen Brennpunkten der Stadt zugute.

„Hilfestellung beim  Ankreuzen“

Andere waren skeptischer. Bereits kurz nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse berichtete der Norddeutsche Rundfunk von „starken Zweifeln“. Schließlich erzielte die Linke im Landkreis Osnabrück durchschnittlich lediglich 3,2 beziehungsweise in Niedersachsen 3,3 Prozent. Auffällig waren die Ergebnisse der Briefwahl, bei der die Linkssozialisten 75 Prozent ihrer Stimmen holten. Allein für den griechischen Muslim Tourkai Ismail stimmten 558 Briefwähler, während er am Wahltag selbst lediglich sechs Stimmen erhielt.

Verwundert war auch Wahlleiter Heinz Korte, der letztlich in 161 Fällen Manipulationen feststellte, was die Staatsanwaltschaft Osnabrück auf den Plan rief. Ein Ermittlungsrichter ließ Anfang des Jahres die Wohnungen von sieben Verdächtigen durchsuchen, darunter die von drei Stadträten der Linken und einer FDP-Stadträtin. Computer und Schriftstücke wurden beschlagnahmt.

Den Beschuldigten wird Wahlfälschung in mehreren Fällen, teilweise in Tateinheit mit Urkundenfälschung und falscher Versicherung an Eides statt vorgeworfen. Konkret sollen sie „Hilfestellung“ beim Ankreuzen von Wahlzetteln gegeben, unausgefüllte Wahlunterlagen selbst ausgefüllt, Unterschriften auf Wahlscheinen gefälscht haben oder gar Unterlagen aus den Hausbriefkästen von Wählern entnommen haben.

Am 5. März wurden in Quakenbrück die Wahlen in vier Briefwahlbezirken wiederholt. Die Verwaltung hatte vorsorglich einen Wahlleitfaden in sieben Sprachen in Auftrag gegeben und Informationsveranstaltungen mit Dolmetschern organisiert. Anschließend waren die politischen Gewichtungen wieder im Lot: Die CDU erzielte 36,36 Prozent der Stimmen, die SPD 32,2, und die Linke immerhin noch 16,56, verlor aber zwei ihrer sieben Ratssitze. Ob alle Gewählten ihr Amt bis zum Ende der Legislaturperiode ausüben dürfen, darf bezweifelt werden, denn „der Konjunktiv liegt wie eine Glocke über Quakenbrück, denn auch wenn jede Wahlfälschung ein Angriff auf die Demokratie ist, gilt die Unschuldsvermutung“, so die NOZ. 

Nicht zu Unrecht vermuten die ortsansässigen Journalisten, daß sich das linke „Wahlmärchen von Quakenbrück“ als „größter Wahlbetrug in der bundesdeutschen Geschichte“ entpuppen könnte.