© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Auch die Gangster wissen sich zu helfen
Zahlungsverkehr: Die geplanten Bargeldbeschränkungen führen kaum zu weniger Kriminalität
Dirk Meyer

Dem Bargeld ist der staatliche Kampf angesagt: Die Abschaffung der 500-Euro-Banknote, dann der Vorstoß aus dem Finanzministerium, Bargeldzahlungen in Deutschland auf 5.000 Euro zu begrenzen und jetzt die Reform des Geldwäschegesetzes mit einer Absenkung der Meldepflicht für Bargeschäfte auf 10.000 Euro (JF 8/17) zeigen die Richtung. Bestrebungen nach Sicherheit, Drogenbekämpfung, Besteuerung, Korruptionsbekämpfung und Verbrechensprävention stehen dabei im Vordergrund. Anderseits werden damit Individualrechte durch Eingriffe in die Freiheitsrechte tangiert.

„Bargeld bietet Gewähr, daß die finanzielle Privatsphäre geschützt ist“, warnt Fritz Zurbrügg, Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank. Die Freiheit der Wahl des Zahlungsmediums und das Recht auf informelle Selbstbestimmung, welches das Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Entscheidungen zu einer Art Datenschutz-Grundrecht erklärt hat, würden eingeschränkt. Beschränkungen der Bargeldzahlungen könnten gegen den Grundsatz „geeignet, erforderlich, verhältnismäßig“ verstoßen. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hält entsprechende Beschränkungen sogar für verfassungswidrig. Deshalb ist die Frage zu stellen, inwiefern Beschränkungen der Bargeldnutzung zur Senkung der Kriminalität beitragen können.

Eine aktuelle Studie der Deutschen Bank kommt zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Entgegen mancher Vermutung ist der Anteil von Barzahlungen kein verläßlicher Anhaltspunkt für die Größe der Schattenwirtschaft. Während der Anteil der im Schattensektor erzielten Einkommen in Deutschland (zwölf Prozent) und Österreich (acht Prozent) relativ niedrig ist, wird in beiden Ländern zu etwa 80 Prozent mit Bargeld bezahlt. Spanien, Italien und Griechenland weisen ebenfalls eine hohe Bargeldnutzung (85 bis 95 Prozent) auf, haben jedoch auch eine hohe Schattenwertschöpfung (18 bis 25 Prozent). Demgegenüber ist in Schweden sowohl der Anteil an Barzahlungen (14 Prozent) wie auch des Schattensektors (14 Prozent) gering. Einflußfaktoren scheinen demnach eher die Höhe und Art der Besteuerung, die Funktionsfähigkeit der Finanzverwaltung, die Steuermoral und die Höhe des Pro-Kopf-Einkommens zu sein. Deshalb würde der Schattensektor auch bei einer vollständigen Abschaffung des Bargeldes lediglich um geschätzt zwei bis drei Prozentpunkte sinken.

Nutzung alternativer Zahlungstechniken

Ebenso belegen die Daten keinen engen Zusammenhang zwischen der Korruption in einem Land und der Bargeldnutzung. Beispielsweise ist das wahrgenommene Korruptionsniveau staatlicher Behörden in der Schweiz, Deutschland und Österreich relativ gering. Dies gilt auch für Schweden bei allerdings wesentlich niedrigerer Bargeldnutzung. Erwartungsgemäß eindeutig ist ein Rückgang von Banküberfällen und Überfällen auf Geldtransporte bei einer Zunahme elektronischer Zahlungen zu verzeichnen. Allerdings steigen im Gegenzug die Delikte mit Kartenbetrug.

Das organisierte Verbrechen hat den Schwerpunkt der Einnahmen beim Drogenhandel (50 Prozent) und bei der Produktpiraterie (38 Prozent). Hierbei spielt auch das Bargeld eine große Rolle. Drogengeschäfte werden zu 80 Prozent und Produktfälschungen zu 30 Prozent in bar abgewickelt. Bargeldbeschränkungen erhöhen tendenziell die Transaktionskosten in diesen Segmenten. Preiserhöhungen und ein gewisser Rückgang der kriminellen Aktivitäten dürften deshalb wahrscheinlich sein. Wie auch die „Panama Papers“ zeigen, ist der Steuerbetrug demgegenüber weitgehend unabhängig von Bargeldtransfers. Er macht schätzungsweise das Doppelte der Einkünfte aus dem internationalen organisierten Verbrechen aus.

Auch die Finanzierung des Terrorismus in Europa dürfte durch die Regulierungen nicht betroffen sein. Die Analyse von 40 Terroranschlägen mit dschihadistischem Hintergrund zeigt, daß die hierfür notwendigen Finanzmittel zumeist selbst beschafft wurden und aus eigenen Geldquellen der Täter stammen. Zudem benötigten 75 Prozent der Vorhaben Kosten von weniger als 10.000 US-Dollar. Selbst im elektronischen Zahlungsverkehr dürften diese Geldbeträge kaum auffallen oder gar zu Ermittlungen führen.

Um die Rückverfolgung zur Deliktsquelle zu erschweren, wird Geldwäsche derzeit noch häufig in Verbindung mit Bargeldeinzahlungen vorgenommen. Alternativ könnten ein Transport physischer Wertgegenstände (Prepaid-Instrumente, Edelmetalle), Überweisungsketten mit Hilfe von Strohmännern und Scheingeschäfte über Briefkastenfirmen erfolgen. Auch die Zwischenschaltung von Geldtransfer-Dienstleistern (Western Union) oder das Hawala-Finanzsystem (informelles Überweisungssystem) sowie virtuelle Währungen könnten zukünftig an Bedeutung gewinnen.

Schweden verzeichnete im übrigen parallel zum Rückgang der Bargeldnutzung einen erheblichen Anstieg der Geldwäschedelikte. Die elektronischen Varianten der Geldwäsche erfordern zumeist besonderes IT-Wissen sowie Kenntnisse in Recht und buchhalterischen Abläufen. Deshalb dürfte der Ausbildungsstand der Täter mit der Nutzung alternativer Zahlungstechniken steigen. Fazit: Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die beabsichtigten Ziele der Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung mit Bargeldbeschränkungen erreicht werden. Eher ist eine Anpassung der kriminellen Zahlungsmethoden und -medien zu erwarten.

Deutsche-Bank-Studie „Bargeld, Freiheit und Verbrechen – Bargeld in der digitalen Welt“:  www.dbresearch.de






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.