© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Schneckenpost im oberbayerischen Ministerbüro
IT-Infrastruktur: 100 Milliarden für den Breitbandausbau / Deutschland hinkt Ostasien, der Schweiz und Skandinavien weit hinterher
Christian Schreiber

Nun also doch: Bis zum Jahr 2025 soll Deutschland ein flächendeckendes Gigabit-Datennetz bekommen. Dies versprach Alexander Dobrindt vorige Woche nach einer Sitzung der Netzallianz Digitales Deutschland. Für das bessere Internet müßten aber 100 Milliarden Euro investiert werden, so der CSU-Bundesminister. 80 Milliarden sollen aus der Industrie kommen, der Bund werde weitere Milliarden beisteuern. Unter Breitband faßt man schnelle Internetzugänge mit einer hohen Datenübertragungsrate zusammen. Da es diesbezüglich verschiedene Techniken gibt, dient Breitband als Sammelbegriff. Über die Technikdetails wird seit Jahren in Deutschland gestritten.

Die bislang häufigste Zugangsart ist die Digitale Teilnehmeranschlußleitung (DSL). Die Daten werden dabei über eine Telefonkupferleitung übertragen, die oft noch aus Vorkriegszeiten stammen. Ein Splitter und ein Modem regeln zusammen mit einer Vermittlungsstelle (DSLAM) den Datenverkehr. DSL ist untauglich, wenn die Strecke zum Endkunden zu lang sind. Das führt zu Engpässen in ländlichen Gebieten. Selbst in Dobrindts oberbayrischer Heimatgemeinde Peißenberg gibt es nur den Schneckentarif „Magenta Zuhause S“ der Telekom. Der Dax-Konzern hatte dennoch im November 2016 in Gesprächen mit der Netzallianz eine Festlegung auf echte Gigabit-Ziele für Deutschland vermeiden wollen. Die konkurrierenden Netzbetreiber hätten „nicht aufzeigen können, wie sie die Ziele erreichen wollen und auch keine höheren Investitionen in Aussicht gestellt“.

Bei der Internetgeschwindigkeit (12,9 Mbps) liegt Deutschland im EU-Durchschnitt im Mittelfeld – hinter Rumänien (13,2 Mbps) und vor Spanien (12,1 Mbps). Deswegen präsentierte die Telekom zu Jahresanfang neue Kooperationspartner: „Wir wollen die Zusammenarbeit vor allem dort verbessern, wo wir bisher nicht selbst ausgebaut haben“, erklärte der Deutschland-Chef der Telekom, Niek Jan van Damme und besiegelte ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Ökoenergieanbieter Innogy. Zu dem Essener Unternehmen gehören auch Glasfaser-Aktivitäten, die der Konzern in der Innogy Telnet gebündelt hat.

Langsamer als in Rumänien, schneller als in Spanien

Dabei spielt auch ein früherer Telekom-Chef kräftig mit: René Obermann, mittlerweile Partner Investmentgesellschaft Warburg Pincus, die unter anderem bei 1&1 Internet mitmischt und sich kürzlich die Mehrheit beim saarländischen IT-Unternehmen Inexio gesichert hat. Der Glasfaser-Spezialist hat sich auf den Ausbau des schnellen Internets im ländlichen Raum spezialisiert und Obermann 2016 zum Aufsichtsratschef gewählt. Obermann fordert nun „langfristig jeden Standort, jeden Bauernhof mit Glasfaser anzuschließen“. Der deutsche Markt sei an diesem Punkt „noch einigermaßen unterentwickelt“. 

Die Bundesregierung tut sich im Umgang mit der Telekom schwer. Rund 20 Jahre ist es nun her, daß die Bundesregierung beschlossen hat, den ehemaligen Staatskonzern zu privatisieren. Dennoch hält er bis heute 32 Prozent Anteile. Dabei wurden in den vergangenen Jahren wiederholt Forderungen laut, diese zu verkaufen. Der Erlös soll in den Bundeshaushalt fließen und in bessere Infrastruktur investiert werden. Erst kürzlich wies Dobrindt neuerliche Forderungen nach einem Aktienverkauf zurück. Der Zeitpunkt sei ungünstig.

Dennoch schaltete sich Dobrindt in den Streit der Telekom mit ihren Mitbewerbern ein. Glasfaser versus Vectoring, eine Technik zur Aufrüstung der alten Kupferleitungen, hieß es im Kern der Auseinandersetzungen. Die Telekom scheute die kostenintensive Umrüstung auf Glasfaser, bis sie sich selbst auf die Suche nach Investoren machte. „Wir begrüßen den Sinneswandel der Deutschen Telekom und freuen uns auf konstruktive Gespräche“, sagte Stephan Albers, Vorsitzender der Breitband-Kommission. Privates Geld für Glasfaserleitungen zu bekommen, ist laut Obermann nicht das Problem: „Kapital war noch nie so billig wie derzeit; es sucht Anlagemöglichkeiten“, sagte er gegenüber Heise Online. Entscheidend seien konkrete Kapazitäten, Glasfaser legen zu können, sowie „langfristige, planbare“ politische Rahmenbedingungen. Je weniger Regulierung es im Bereich superschneller Netze gebe, „desto besser für private Investitionen“. Denn die Zeit drängt.

Länder wie Südkorea, Taiwan und Japan, aber auch Skandinavien, die Schweiz oder die Tschechei sind in der Technik bereits weit voraus. Häufig wurden dort bereits Regierungsprogramme Mitte der neunziger Jahre umgesetzt. In Deutschland, so der Tenor der Kritik, habe sich der Staat viel zu lange auf den „Platzhirsch“ Telekom mit seinen veralteten Kupferleitungen verlassen. „Wer heute auf Kupfer setzt, landet digital in der Steinzeit“, erklärte Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU).

Dobrindts frühere CDU-Staatssekretärin kritisiert massiv, daß staatliche Fördermittel teils in Vectoring und damit in die alte Leitungsgeneration fließen und sogar ein Überbau konkurrierender Infrastrukturen durch die Telekom möglich werde. Sie rief daher nach einem verbindlichen Förderverfahren, bei dem sich „die Telekom im nachhinein nicht die Rosinen herauspicken kann“. Die SPD ist mittlerweile an die Seite Obermanns getreten und hat ein „Kupferförderungsverbot“ in ihr Wahlprogramm schreiben lassen.

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