© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

CD-Kritik: Karlrobert Kreiten
Scherben
Jens Knorr

Zum hundertsten Geburtstag des Pianisten Karlrobert Kreiten (1916–1943) kommt die CD zu spät, aber nicht zu spät, die Erinnerung an ihn wachzuhalten. Wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt, wurde Kreiten – nach den Worten seines Meisterlehrers Claudio Arrau „eines der größten Klaviertalente, die mir persönlich begegnet sind“ – in der Nacht vom 7. zum 8. Dezember 1943 in Plötzensee gehängt. Der Fall wurde zum Fall des Journalisten Werner Höfer, der wegen seiner 1943 veröffentlichten „Hinrichtungshymne“ (Der Spiegel) 1987 die Moderation des „Internationalen Frühschoppens“ im WDR aufgeben mußte.

Der Tonträger dokumentiert alle derzeit bekannten Privataufnahmen Kreitens, aufwendig und behutsam restauriert, aus Trümmern mühsam wieder zusammengesetzt. Kaum mehr denn traumsichere Technik, interpretatorischer Zugriff und Klangempfinden läßt sich aus den klangarchäologischen Artefakten heraushören, deren Präsentation vier „Zwischenrufe“ zeitgenössischer Komponisten unterbrechen.

Es sind die Erfahrungen einer verlorenen Generation von Ermordeten, Verbannten, Verheizten, die den Kompositionen ihrer Zeitgenossen und der Klassiker hätten zuwachsen müssen und nun auf immer fehlen und aus Scherben sich nicht mehr auslesen lassen. Uns bleiben nur ihre Namen.

Karlrobert Kreiten Historische Aufnahmen Avi-Music, 2017  www.avi-music-de