Nachdem der erste Termin wegen eines Schneesturms flachgefallen war, hat Angela Merkel jetzt doch noch ihren Antrittsbesuch bei Donald Trump absolviert. Und der verlief dann gar nicht so schlimm, wie viele gedacht hatten, obwohl es an schlechten Vorzeichen und vorausgeworfenen Schatten ja nicht gemangelt hatte.
Das begann mit dem amerikanischen Präsidenten, der Merkel im Wahlkampf scharf angegriffen und noch vor wenigen Wochen die Öffnung der Grenzen der EU für Flüchtlinge ohne Papiere als „eine katastrophale Entscheidung“ bezeichnet hatte. Trump hat im Vorfeld von Merkels Besuch seine Rhetorik dann etwas zurückgefahren. Dafür hat die deutsche Presse aus allen Rohren auf Trump geschossen, was die Atmosphäre des Besuchs medial vergiftet hat. Aus Sicht der deutschen Mainstream-medien ist absolut alles, was Trump denkt, sagt und tut falsch. Ausnahmslos. Den hiesigen Medien ist die Fähigkeit zur Analyse schon vor längerem abhanden gekommen, aber bei Trump regieren in Funk, Fernsehen und Zeitungen durch die Bank Verunglimpfung und Verachtung, ja Haß. Auch eine Bundeskanzlerin sieht fern und liest Zeitungen, weshalb das mediale Hintergrundrauschen für den Besuch keine gute Filmmusik lieferte.
Erfreulicherweise kam es in Washington dann nicht so schlimm, wie viele gedacht und manche gehofft hatten. Trump war gewohnt hochmütig, er hat Merkels Wunsch, ihm die Hand zu schütteln, angeblich überhört, und Deutschland pauschal vorgeworfen, es bezahle zuwenig für den Nato-Schutzschirm der Amerikaner – aber sonst lief der Besuch ganz zivil ab.
Merkel ist eine Hinterzimmer-Strategin und kein Mensch, der den offenen Kampf sucht. Also hat sie sich auf knappe Einlassungen zur Sache und spitze Bemerkungen beschränkt. Sie hat Trump, der immer wieder sein „America first!“ betonte, mehrfach gesagt, daß auch sie nationale Interessen zu vertreten habe und daß Welthandel – das hätte die deutsche Autoindustrie nach dem EU-Abkommen mit Südkorea gesehen – besser sei als Protektionismus. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz ging der amerikanische Präsident dann sogar so weit, der von ihm früher immer wieder kritisierten Nato seine „starke Unterstützung“ (strong support) zu bekunden.
Im großen und ganzen war das zwar ein frostiger Gipfel, der die im Moment unterkühlten Beziehungen zwischen beiden Ländern offenlegte, aber es war keine diplomatische Katastrophe. Merkel hat, das wissen inzwischen alle, einen phlegmatischen Charakter. Die große Strategie war noch nie ihre Sache, taktische Spielchen und eine abseits der großen Bühne stattfindende Metternichsche Kabinettspolitik dafür viel mehr.
Merkel ist weder eine Diplomatin noch überhaupt ein Mensch mit einer konzilianten, ausgleichenden Art. Anderen Politikern begegnet sie immer nur auf zwei Arten: durch Unterdrückung oder Unterwerfung. Weiß sie sich überlegen, dann begegnet sie Regierungen und Politikern mit Verachtung, Druck und Zwang. Das kennzeichnet ihr Verhältnis gegenüber den Regierungen von Polen, Ungarn und Österreich, seit die Österreicher den Flüchtlingen die Grenzen dichtgemacht haben.
Sitzt sie hingegen am kürzeren Hebel und ist mit lautstark auftrumpfenden Gegenspielern konfrontiert, dann kuscht sie, redet im Flüsterton und vergißt ganz plötzlich, daß sie von den Deutschen auch deshalb gewählt wurde, um auch nach außen Demokratie, Freiheit und Rechtstaatlichkeit zu vertreten. Merkel hatte weder Nicolas Sarkozy noch Silvio Berlusconi jemals viel entgegenzusetzen, noch hat sie den Willen oder die Fähigkeit, dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan auf Augenhöhe zu begegnen. Und mit Donald Trump ist das nun auch wieder so.
Diese Versäumnisse werden sich irgendwann rächen. Der amerikanische Präsident schießt seit Beginn seiner Wahlkampagne gegen den freien Handel und redet der Einführung von Zöllen und Handelsbarrieren das Wort. Dem hätte Merkel viel deutlicher widersprechen sollen. Die USA sind – vor Frankreich, den Niederlanden und China – Deutschlands wichtigster Handelspartner. Das mit Abstand wichtigste deutsche Exportgut in die USA sind Autos und Autoteile. Sollte Trump, wie er schon vor 30 Jahren in einem Playboy-Interview angekündigt hatte, auf jedes deutsche Auto „einen saftigen Importzoll draufhauen“, dann hätte dies unübersehbare Folgen für die deutsche Wirtschaft und die daran hängenden Arbeitsplätze. Daß die ansonsten vollkommen blasse Wirtschaftsministerin Zypries parallel zu Merkels USA-Reise den Amerikanern auch noch mit juristischen Vergeltungsmaßnahmen gedroht hat, ist erstens überhaupt nicht hilfreich und zeigt zweitens recht schön, wie gut Merkel ihr eigenes Kabinett in der Hand hat.
Der Gipfel mit dem amerikanischen Präsidenten hat gezeigt, daß Merkel mit ihrer tapsigen Art und ihrem rein machtpolitischen Taktieren dabei ist, Deutschland außenpolitisch zu isolieren. Mit Ungarn, Polen, Tschechien, Rußland und bald auch mit Österreich hat sie das Tischtuch zerschnitten. Großbritannien, das jetzt beim Brexit Führung und Unterstützung bräuchte, läßt sie im Regen stehen. Amerikanern und Chinesen traut sie sich nicht, Paroli zu bieten, und vor der Türkei liegt sie flach auf dem Gesicht. So macht man doch keine Außenpolitik.
Europa steckt in der Krise, die ganze Welt ist unsicherer geworden. Genau in so einer Situation wäre ein deutsches Staatsoberhaupt, das dem Protektionismus den Kampf ansagt und Länder und Regierungen nicht auseinanderdividiert, sondern zusammenbringt, gefragter denn je.