Wer vom Süden her in den Erfurter Stadtteil Marbach läuft, hört nur das Brausen des Windes und der Autos auf der Bundesstraße 4. Doch die Ruhe trügt. Seit fast einem Jahr schwelt ein Konflikt in dem 4.000-Seelen-Ort. Die moslemische Ahmadiyya-Gemeinde will dort eine Moschee samt Kuppel und Zierminarett bauen.
„Wir sind gegen den Bau der Moschee, weil sie Teil einer schleichenden Landnahme und Islamisierung ist. Zuerst ist es eine, dann sind es hundert, wie es die Ahmadiyya-Gemeinde selbst angekündigt hat “, sagt Simon Kaupert. Er ist Sprecher der Bürgerinitiative „Bürger für Erfurt“ und, wie er sagt, „Aktivist“ bei „Ein Prozent“, laut eigenen Angaben „Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk“. Vor rund einem Jahr reichte die Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt eine Bauvoranfrage ein. Sie wollte den ersten Moscheeneubau in Thüringen genehmigen lassen, samt Kuppel und elf Meter hohem Zierminarett.
Es folgten Straßenproteste, ein AfD-Bürgerbegehren, eine Petition, bei einer Bürgerversammlung kam es zu hitzigen Streitereien (JF 22/16). Schließlich bewertete die Stadtverwaltung zum Jahreswechsel eine Bauvoranfrage positiv. Allerdings war es nicht jene, die den Bürgern im vergangenen Jahr präsentiert worden war, sondern ein viel größeres rund 200 Meter entfernt. Die Ahmadiyya-Gemeinde begründet diesen Schritt damit, daß ein unmittelbarer Nachbar sein Einverständnis für eine Verkürzung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen verweigert habe und weil in der Moschee keine Wohnung für den Imam hätte eingerichtet werden dürfen.
Die „Bürger für Erfurt“ fühlen sich dagegen hintergangen. „Wir sind uns sicher, daß das erste Grundstück lediglich eine Nebelkerze war“, sagt Kaupert. „Einen Tag nachdem voriges Jahr der Ort bekannt geworden war, an dem die Moschee gebaut werden soll, sind wir hierher gefahren und haben uns das angeschaut.“ Er zeigt auf die Grünfläche neben dem THW-Gebäude, der Feuerwehr und der Dekra. „Eine Prunkmoschee in dieser Größe hätte hier keinen Platz gehabt, zudem gibt es keine Parkmöglichkeiten, und die Feuerwehr käme mit ihren großen Fahrzeugen nicht mehr durch.“
Tatsächlich ist das neue, für den Bau vorgesehene Grundstück deutlich größer, die Baupläne blieben allerdings nahezu identisch. Die Petition eines Marbachers erhielt genügend Unterschriften. Der Protest drohte sich zu radikalisieren. Auf der Facebook-Seite von Moscheegegnern forderten einige, Schweinsköpfe auf dem Gelände zu plazieren. „Ich kenne da einen Fleischer“, hieß es etwa.
Um dem zuvorzukommen und den Protest in eine andere Richtung zu lenken, habe rund ein Dutzend Mitglieder von „Bürger für Erfurt“ mit Unterstützung von „Ein Prozent“ am 4. März ein zehn Meter hohes Holzkreuz auf dem Nachbargrundstück errichtet.
Die Aktion sorgte sofort für Schlagzeilen. Noch in der Nacht wurde es umgerissen. „Ob es der Wind war oder es jemand umgestoßen hat, wissen wir nicht“, konstatiert Kaupert. Die Protestgruppe baute es wieder auf. „Allerdings wurde das Kreuz daraufhin wieder, dieses Mal sicher mutwillig, abgerissen.“ Daraufhin hätten Marbacher das Symbol erneut aufgestellt.
„Kreuz ist für uns Identitätssymbol“
Und aus den abgebrochenen Teilen ein zweites. Mittlerweile stehen elf Kreuze, 50 Zentimeter bis acht Meter hoch, auf dem Nachbargrundstück. „Das Kreuz ist für uns ein Identitäts- und Kultursymbol“, erklärt Kaupert, wohl wissend, daß drei Viertel der Thüringer angeben, nicht gläubig zu sein.
Das wiederum sieht Suleman Malik anders. „Das Kreuz als religiöses Symbol wird mißbraucht, um antiislamische Ressentiments zu verbreiten“, sagte der Sprecher der Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt. „Wir empfinden diese Aktion als Kulturkampf, in dem wir mit Liebe für alle antworten werden.“ Einig sind sich beide jedoch in einem Punkt: „Wir befürchten, daß die Prunkmoschee niemand aufhalten kann, die wird kommen“, sagt Kaupert, da „Politik, Medien und Kirchen“ das bereits beschlossen haben.
In den kommenden Tagen wird die Ahmadiyya-Gemeinde einen Bauantrag einreichen. Was mit den Kreuzen geschieht, ist indes unklar. Das Grundstück, auf dem sie stehen, gehört der Mainzer Aufbaugesellschaft, eine Immobilientochter der Stadt Mainz. Die hat mittlerweile eine Erfurter Anwaltskanzlei damit beauftragt, die Urheber der Kreuz-Aktion zu identifizieren.
Die Juristen schickten eine Mahnung, die Kreuze abzubauen, und setzten eine Frist. Bislang haben die Moscheegegner das jedoch ignoriert.