Man müßte einen Prozeß gegen den Staat anstrengen.“ Die Worte mit dem schweizerischen Zungenschlag hallen unter dem Holzgebälk des historischen Festsaals. „Aber wer richtet? Der Staat!“, kommt David Dürr zum Schluß seines Vortrags. Der Rechtsprofessor der Universität Zürich urteilt: Der Staat verletze in allen Bereichen jene Marktbeschränkungen, die er anderen vorschreibe. Er oktroyiere Geschäftsbedingungen – Stichwort Gebührenfernsehen – und habe ein Gewalt- und Gesetzesmonopol. Da er zudem „Richter über sich selbst“ spiele, sei die Gewaltenteilung nur eine Farce.
Es war eine von zwölf Vorlesungen, die während des Seminars des Ludwig von Mises Instituts Deutschland am Wochenende gehalten wurden. Vorstand Andreas Marquart lud in die ausgebuchte Kronberger Stadthalle, unter der Überschrift „Die Österreichische Schule der Nationalökonomie – Gegenpol zur Hauptstrom-Volkswirtschaftslehre“.Dürr warf die Frage auf, ob staatliche Eingriffe überhaupt legitimiert seien; es handele sich um Machtstrukturen, die bis zur Todesstrafe zwängen. „Wer den Staat haben will, kann ihn ja haben, aber bitte nicht andere zwingen mitzumachen!“
Privatisierung würde Asylkrise prinzipiell lösen
Die Marschrichtung war klar: es ging gegen den Staat und seine helfershelfenden Wirtschaftsapologeten. Philipp Bagus von der Madrider Rey-Carlos-Universität betonte den Wert des Eigentums für einen funktionierenden freien Markt. Abschreckendes Beispiel sei die Allmende, deren Ausbeutung zum eigenen Verschwinden führe. „Was keiner voll kontrolliert, gerät in Verwahrlosung.“ Gehörte das Meer jemandem, so wäre dessen Verschmutzung eingedämmt; die Privatisierung von Walen könnte sie vor dem Aussterben retten. Ironisch fügte Bagus hinzu: „Aber das müssen Sie den Grünen mal erklären.“
Jörg Guido Hülsmann von der französischen Universität Angers entzauberte nicht nur die Theorie über öffentliche Güter, sondern räumte auch mit dem Mythos „stabiler Preise“ auf: es gebe keinen Zusammenhang zwischen Wachstum und Preisen, die Stabilität der Preisnachfrage sei – durch staatliche Einmischung – immer künstlich. Die herrschende Doktrin bliebe aber unangefochten, obwohl stabile Preise sowohl in der Krise 2001 als auch 2008 wirkten.
Mises-Präsident Thorsten Polleit verwies auf das große Manko der konkurrierenden Wirtschaftstheorien. Methodologisch wählten Keynes und Konsorten einen naturwissenschaftlich-mathematischen Ansatz. Für Mises steht jedoch der handelnde Mensch im Vordergrund.
Die von ihm entwickelte Praxeologie biete das Mittel, richtige von falschen Theorien zu unterscheiden. Deshalb gebe es „ökonomische Gesetze, an die sich Handeln anpassen muß, um erfolgreich zu sein“. Die Volkswirtschaftslehre lasse sich stattdessen von der Politik dienstbar machen und versuche sich wie eine Naturwissenschaft an „Experimenten“.
Die Machtkonzentration in der EU oder totalitäre Weltstaatträumereien nahmen die Referenten ernst. Dürr bemerkte einen „dezentralistischen Virus“, der sich eingenistet habe, aber vehement bekämpft würde. Was die Asylkrise anginge, sei der Staat Ursache der Problematik. „Wäre alles in Privatbesitz, wären diese Konflikte prinzipiell entschieden“, so Polleit. Auf die Politik der Zentralbanken angesprochen, antwortete Polleit düster: „Denen traue ich in letzter Instanz alles zu.“ In seinem Vortrag hatte der Chefökonom der Degussa Goldhandel die zerstörerischen Folgen der Zinspolitik der Zentralbanken betont: Abschaffung des Bargelds, negative Renditen und Ruin von Währung und Volkswirtschaft.
Ob die Österreichische Schule angesichts der Krisen nicht „unterhalb der Wahrnehmung“ bliebe? Die Referenten verwiesen auf positive Entwicklungen in den USA und Deutschland. Immerhin säßen vier Lehrstuhlinhaber in der Runde. Hülsmann betonte, man biete keine praktische Lösung, sondern Inspiration an: „Wenn wir tief im Loch sitzen, ist es erst einmal wichtig, mit dem Graben aufzuhören.“
Ludwig von Mises Institut Deutschland