Als während des Frankreich-Feldzuges der Führer einer Kompanie im Infanterieregiment 1 am 23. Mai 1940 bei Valenciennes schwer verwundet in das Feldlazarett Nivelles (Belgien) eingeliefert wurde, wo er am 26. Juni verstarb, erlosch auch bei einem Teil des deutschen militärischen Widerstandes die letzte Hoffnung auf eine schicksalhafte Wende in der deutschen Politik.
Bei dem Gefallenen handelte es sich um den am 4. Juni 1906 erstgeborenen Sohn des Kronprinzen Wilhelm von Preußen und von dessen Gemahlin, der Kronprinzessin Cecilie, Prinz Wilhelm von Preußen. Nach seiner Erziehung in Potsdam und dem Besuch des Gymnasiums studierte er Rechtswissenschaft. Seit den frühen zwanziger Jahren war der wegen seines dünkellosen Auftretens beliebte Prinz Mitglied des Stahlhelm-Bundes, zuletzt als Major und Bataillonsführer. Hier befreundete er sich mit einem Stahlhelmführer, Friedrich Wilhelm Heinz, ohne zu ahnen, daß diese Begegnung später von großer Bedeutung werden sollte.
1926 absolvierte Wilhelm mit Billigung des Generals Hans von Seeckt eine Reserveübung im Infanterieregiment 9. Reichswehrminister Otto Geßler nahm diese Übung eines Angehörigen des Hochadels zum Anlaß, von Seeckt wegen dieser „Prinzenaffäre“ zu entlassen.
Während des Studiums in Bonn hatte Prinz Wilhelm die 1907 geborene Dorothea von Salviati kennengelernt. Diese Verbindung wurde allerdings sowohl von seinem Großvater als auch seinem Vater scharf mißbilligt. Man sah in Fräulein von Salviati eine nicht ebenbürtigen Partnerin und verbot eine Heirat. Gleichwohl fand die Vermählung im Juni 1933 statt.
Damit verlor Wilhelm sein Recht auf die Thronfolge. Allerdings sah er sich immer als rechtmäßiger Thronfolger, da er niemals auf die preußische Königskrone verzichtet habe. 1935 zogen Wilhelm, Dorothea und ihre beiden Töchter, Felicitas und Christa, auf das Schloß Klein-Obisch in Niederschlesien.
Wilhelms Haltung zum Dritten Reich entsprach der im sogenannten Naumburger Kreis vertretenen Linie. Hier hatte sich eine intellektuelle Opposition gefunden, die eine vom NS-Regime gewollte Zwangseingliederung des „feldgrauen Bundes“ in die „braune SA“ ablehnte. Diese Bestrebungen blieben jedoch erfolglos. Allerdings finden wir einen Teil des Kreises in einer Gruppe wieder, die im September 1938 im Rahmen des Witzleben-Oster-Beck-Staatsstreichversuchs einen gewaltsamen Umsturz des NS-Regimes herbeiführen wollte.
In diesem Jahr, mit dem Wissen der Unrechtstaten, die inzwischen auf das Konto der Nationalsozialisten gingen, wollte man nun zur Tat schreiten. Der bereits erwähnte Friedrich Wilhelm Heinz, jetzt Hauptmann in der Abwehr, erhielt von General von Witzleben den Befehl, im Vorfeld der Sudetenkrise im September 1938 einen bewaffneten Stoßtrupp aufzustellen, um Hitler in der Reichskanzlei zu verhaften.
Heinz und Oster aber entschlossen sich, quasi als „Verschwörer in der Verschwörung“, Hitler zu erschießen und danach den Prinzen Wilhelm als „Volkskönig“ in einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Muster zu proklamieren. In seinen Erinnerungen schrieb Heinz: „Deutschland brauchte, nach Wilhelm II. und Adolf Hitler, nichts anderes an seiner Spitze, als einen gerechten, vornehmen und gütigen Menschen, abhold allen Abenteuern und bereit, den Kräften der Demokratie Spielraum zu gewähren. Prinz Wilhelm besaß einen gesunden politischen Instinkt, er verabscheute nicht nur Hitler, sondern alles Posenhafte und Unechte (...) und er fühlte sich mit der westlichen und angelsächsischen Welt zu tief verwurzelt, um es jemals auch nur für möglich zu halten, daß die Völker Europas um nichtiger Grenzstreitigkeiten willen nochmals in die Barbarei eines Ausrottungskrieges verfallen könnten.“
Prinz Wilhelm war bei den Treffen mit Heinz in Klein-Obisch zwar nicht in alle Einzelheiten des Staatsstreichversuches eingeweiht, doch er wußte Bescheid. In einem verschlüsselten Brief an Heinz schrieb er am 14. September 1938 unter anderem: „Ich bedauere es sehr, daß Sie soviel Ärger in der Familie haben. Hoffentlich hat der Familienrat genügend Einfluß u. tritt bald zusammen. Wenn Ihre Frau Tante die Reise wirklich antreten sollte, kann ich es mir Ende des Monats auf See nicht besonders verlockend vorstellen. (,,,) Jedenfalls würde es mich interessieren, zu wissen, ob Ihre Frau Tante termingemäß fahren wird oder ob die Devisenschwierigkeiten doch zu große sein werden.“
Zweifellos bezog sich der Prinz auf die Vorbereitungen für den geplanten Staatsstreich. Dennoch war alle Vorbereitung umsonst, da Hitler durch das Ende September 1938 mit Chamberlain, Mussolini sowie Daladier geschlossene Münchner Abkommen zum „Friedenskanzler“ avancierte.
Prinz Wilhelms Tod ließ Widerständler resignieren
Auch der Prinz war sich nun darüber im Klaren, daß der Weg in die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten sei. Er gab sich auch keinen Täuschungen darüber hin, nachdem 1939 die deutsche Oberschicht Adolf Hitler bedenkenlos in den Krieg gefolgt war, daß es in Deutschland keinen Weg zurück in die Monarchie mehr geben könnte.
Als der Krieg ausbrach, war auch Prinz Wilhelm als Reserveoffizier eingerückt. Er hatte geahnt, daß er 1940 nicht überleben werde. Später berichteten Kameraden, daß Wilhelm sein Schicksal als besiegelt sah, da ihm die „Weiße Frau“ erschienen sei. Dieser „Geist“ kündigt laut der Legende der Hohenzollern Todesfälle an. Überliefert ist, daß die „Weiße Frau“ zum letzten Male am Todestag des Prinzen, dem 26. Mai 1940, im Berliner Stadtschloß gesehen worden sein soll.
Mehr als 50.000 Menschen folgten in Potsdam am 29. Juni dem Trauerzug für Prinz Wilhelm von Preußen. Viele seiner Freunde zogen sich jetzt resigniert aus dem aktiven Widerstand zurück.
Nach dem Kriege wurden in der Widerstandsliteratur viele Namen des preußischen Adels genannt, den Namen des Mannes, der dem preußischen Hochadel entstammte, sucht man aber vergeblich. Es ist an der Zeit, sich nun endlich auch des Prinzen Wilhelm von Preußen im Widerstand zu erinnern und seine Rolle zu würdigen.