© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Gegen staatliche Monster
Die libertäre US-Ikone Ron Paul predigt gegen Interventionspolitik, Zentralbankenwesen und Etatismus
Thorsten Brückner

Er ist die Ikone der libertären Bewegung in den USA. Kaum ein anderer Politiker hat während seiner Abgeordnetenzeit so konsequent die Prinzipien gelebt, die er gepredigt hat. Der Politiker Ron Paul ist den meisten für seinen Kampf gegen die Regulierungswut des Kongresses und die Machtausdehnung der Notenbank in Erinnerung. Weniger bewußt ist vielen Menschen hierzulande sein unermüdlicher Einsatz gegen Angriffskriege und amerikanische Interventionen in aller Welt.
Spätestens sein nun im Kopp-Verlag auf deutsch erschienenes Buch mit dem biblischen Titel „Schwerter zu Pflugscharen“ dürfte mit diesem Wahrnehmungsdefizit Schluß machen. Kenntnisreich, wie es nur jemandem möglich ist, der mehr als zwei Jahrzehnte lang im Kongreß neokonservative Falken und deren Ideologie hautnah erlebt hat, skizziert Paul die Ursprünge und Hintergründe militärischer Interventionen der USA. Die meisten Menschen, ist sich Paul sicher, sind von Natur aus friedlich und würden sich ohne Kriegspropaganda und Zwang der jeweiligen Regierung nie auf ein Schlachtfeld begeben.
Als Beispiel führt er den berühmten Waffenstillstand von Weihnachten 1914 an der Westfront an, bei dem britische, französische und deutsche Truppen gemeinsam in den Schützengräben feierten und anschließend von ihren Vorgesetzten dafür bestraft wurden. Für Paul war der Koreakrieg die entscheidende Motivation, ein Medizinstudium zu beginnen. „Ich wußte genau, daß ich mit Töten nichts zu tun haben wollte.“ Stets stimmte er im Kongreß gegen militärische Abenteuer.
Im Buch erfährt der Leser aber auch von den Gewissenskonflikten, die den Gynäkologen nach den Terroranschlägen vom 11. September plagten. Sollte er für den Afghanistan-Einsatz von Präsident Bush stimmen oder bei seinem grundsätzlichen Nein zu Interventionen bleiben? Paul entschied sich „in der schwierigsten Entscheidung meines Lebens“ für die Gewaltanwendung – auch wenn ihm zu diesem Zeitpunkt bereits bewußt gewesen sei, daß Präsident George W. Bush die Kongreßvollmacht „für stetigen Krieg überall auf der Welt nutzen“ würde.
Interessant: Paul bestätigt in seinem Buch, was bisher viele Kenner der internationalen Politik als Verschwörungstheorie abgetan haben: Der Einmarsch im Irak stand bereits vor den Terrorangriffen vom 11. September 2001 fest. Der „Patriot Act“, der Rechte amerikanischer Bürger massiv einschränkte, lag bereits vor dem Einsturz der Zwillingstürme fertig geschrieben in der Schublade.
Aber der Baptist mit preußischen Vorfahren beläßt es nicht dabei, den Finger in die Wunde zu legen, die Fehler der fehlgeleiteten neokonservativen Politik der vergangenen Jahrzehnte anzuprangern. Er zeigt auch Lösungsmodelle auf. Die USA sollten sich an der Neutralität der Schweiz orientieren: „Die Schweizer blieben grundsätzlich zu Hause, während wir durch die Welt marschierten auf der Suche nach ‘Monstern’, die es zu vernichten galt.“
Der besondere Charme an der Lektüre ist, daß es dem 17fachen Großvater auch gelingt, das Thema in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Mit einem eigenen Kapitel würdigt er die unrühmliche Rolle, die die amerikanische Notenbank (Federal Reserve) seit ihrer Gründung 1913 bei der Kriegspolitik der USA gespielt hat.
Nie hätten kriegsbesessene Falken in Verteidigungsministerium und CIA die Macht, Präsident und Kongreß von Interventionen zu überzeugen, ohne die Politik der inflationären Geldvermehrung durch die Zentralbanken, ist sich Paul sicher.
Auch mit der Entwicklung der Kriegsführung hin zu „sterilem Töten“ durch Drohnen setzt sich der 81jährige in einem Kapitel auseinander. Ganz dem Nichtaggressionsprinzip treu bleibend differenziert der libertäre Vordenker: „In einem reinen Abwehrkrieg mag es einen Platz für Drohnen geben. In einem aggressiven Angriffskrieg sorgen sie nur für noch mehr Probleme.“
Einige Schlußfolgerungen Pauls dürften für den staatsgläubigen Deutschen rechter wie linker Couleur nur schwer verdaulich sein. Den besten Schutz vor einem Angriff ausländischer Staaten sieht der dreimalige Präsidentschaftskandidat in einer „bewaffneten Bürgerschaft mit Leidenschaft und Verständnis für Freiheit“.
Der starke Staat ist für ihn hingegen die Voraussetzung für große Kriege. Das Fundament für einen solchen Staat legen ihm zufolge freilich jene, die es zwar als falsch ansehen, den Nachbarn zu berauben, aber keine moralischen Skrupel haben, Umverteilungsparteien zu wählen, die den Staat die Drecksarbeit machen lassen, und sich so am Eigentum eines anderen vergreifen.
Für Paul ist klar: „Das Nichtaggressionsprinzip duldet keine Kompromisse.“ Wer seinem Nachbarn durch die Wahl einer bestimmten Partei höhere Steuern aufbürdet, um die eigenen Sozialleistungen zu steigern, begeht einen Akt der Aggression, er wendet indirekt Gewalt gegen seinen Nachbarn an. Einen Krieg im kleinen gewissermaßen. Mag das Buch inhaltlich gerade für Kontinentaleuropäer herausfordernd sein; die einfachen kurzen Sätze und die meist einfache Sprache machen das Buch gut lesebar. Den einzigen echten Makel stellt das fehlende Personenregister dar.

Ron Paul: Schwerter zu Pflugscharen. Ein Leben im Krieg und eine Zukunft in Frieden und Wohlstand. Kopp Verlag, Rottenburg 2017, gebunden, 250 Seiten, 14,95 Euro