© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Frisch gepresst

Grundeinkommen. Daß Linke oder Grüne ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) wollen, überrascht nicht. Daß auch Unternehmer wie dm-Gründer Götz Werner „Geld für alle“ fordern, dagegen schon. Aber was in Deutschland nur Diskussionsobjekt von Feuilletons oder Parteigremien ist, soll ab November in Finnland Wirklichkeit werden: 800 Euro monatlich für jeden Erwachsenen – aber bei Wegfall sämtlicher Sozialtransfers. Wirtschaftsliberale Argumente für dieses Experiment liefert der Hamburger Volkswirtschaftsprofessor Thomas Straubhaar. Dies müsse angesichts von Digitalisierung, Individualisierung und gebrochener Erwerbsbiographien „Realität werden – lieber früher als zu spät“, so der Schweizer Ökonom. Beiträge aus Lohneinkommen könnten den Sozialstaat nicht mehr finanzieren. Straubhaars steuerfinanziertes BGE läge bei 925 Euro pro Kopf – wenn die ganzen 888 Milliarden Euro für Rente & Co. dafür verwendet würden. Für viele Einwanderer oder manch jungen Arbeitslosen klingt das verlockend – er müßte nur einen Hunderter für die Krankenversicherung abziehen. Ältere und die Mittelschicht müßten draufzahlen – denn die „Reichen“ würden sich bei einer BGE-Einkommenssteuer von 50 Prozent schnell verglobalisieren. (fi)
Thomas Straubhaar: Radikal gerecht. Wie das bedingungslose Grundeinkommen den Sozialstaat revolutioniert. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2017, 248 Seiten, gebunden, 17 Euro




Neoliberale. Der Politologe Sebastian Müller untersucht den Einfluß des Neoliberalismus auf Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland seit den siebziger Jahren. Um es kurz zu machen: Der Einfluß ist allgegenwärtig. Müller hält den Neoliberalismus für ein Projekt „der radikalen Umwälzung der menschlichen Ordnung unter rein ökonomischen Kriterien, das sich zwangsläufig auf staatliche Maßnahmen stützen muß“. Er schreibt, daß seinerzeit der „Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen zum wesentlichen Teil eine Abfolge bewußter politischer Entscheidungen war“. Dazu gehörte, daß nicht mehr die Bekämpfung steigender Arbeitslosigkeit, sondern die Maximierung von Unternehmensprofiten im Fokus stand. Müllers Porträt dieser „neoliberalen Reconquista“ der Bundesrepublik mit einigen ihrer publizistischen Büchsenspanner wie dem Journaliosten Paul C. Martin und Blättern wie Spiegel oder Zeit ist spannend zu lesen. (mec)
Sebastian Müller: Der Anbruch des Neoliberalismus. Westdeutschlands wirtschaftspolitischer Wandel in den 1970er Jahren. Promedia Verlag, Wien 2017, broschiert, 200 Seiten, 20 Euro