© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Abstand halten, sonst bsssssssstttt
Innere Sicherheit: Einige Bundesländer führen testweise nichttödliche Taser für die Polizeistreifen ein / Gewerkschaften kritisieren knappe Trainingszeiten
Paul Leonhard

Die effektive Reichweite liegt bei vier bis sechs Metern, die ideale Trefferfläche sind Bauch, Rücken sowie Oberschenkel, und die Wirkung auf das Nervensystem führt zu starkem Schmerzreiz und Muskelkontraktion sowie zur sofortigen Handlungsunfähigkeit der getroffenen Person. So wird in einem Postionspapier der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Berlin das halbautomatische Distanzimpulsgerät Modell X2 V18 des Herstellers Taser beschrieben. Es soll die Lücke zwischen Pfefferspray und Pistole schließen. 

Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Gerät verschießt dank Laserzielvorrichtung treffsicher an dünnen Drähten befindliche nadelähnliche Pfeile auf den Angreifer. Die Drähte übertragen Stromimpulse von 0,0013 bis 0,0036 Ampere, die zu sofortigen Muskelblockaden und damit zu einer Handlungsunfähigkeit führen, die etwa fünf Sekunden anhält. Laut Herstellerangaben verursacht das Gerät keine bleibenden Verletzungen.

Insbesondere beim Brechen des Widerstandes von Einzeltätern würden die Distanz-Elektroimpulsgeräte überzeugen, indem sie gravierende Verletzungen auf beiden Seiten vermeiden und helfen, Lagen schnell zu klären, die sonst unkontrolliert eskalieren, heißt es im Erfahrungsbericht der Spezialeinsatzkräfte Nordrhein-Westfalens. Die Geräte seien technisch ausgereift und gelten als sichere nichtletale Waffe. In Deutschland sind Taser seit Jahren im Einsatz. Ein Vorreiter war das Spezialeinsatzkommando (SEK) Berlin, das diese seit August 2001 nutzt. Fünf Jahre später empfahl die Innenministerkonferenz den SEK aller Bundesländer die Anschaffung von Tasern. Verschiedene Länder wollen nun auch Streifenbeamte mit Tasern ausstatten. Ob das sinnvoll ist, prüft in Bayern gerade eine Arbeitsgruppe. In Berlin wurden in Friedrichshain und Kreuzberg 20 Streifenpolizisten im Umgang mit Tasern geschult. Anfang Februar begann eine auf drei Jahre angelegte Erprobung. In Bremen will die SPD-Fraktion der Bürgerschaft Distanz-Elektroimpulsgeräte für den Einsatzdienst der Polizei Bremen und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven einführen.

„Der Taser ist ein effektives und modernes Einsatzmittel und darf in keiner Polizei fehlen“, sagt Bremens GdP-Landeschef Joachim Kopelke. Auch in Hessen hat sich die Gewerkschaft für einen Probelauf über den bisherigen Einsatz bei den Spezialeinheiten hinaus ausgesprochen. Sein Einsatz „vermindert die Verletzungsgefahr der Kollegen und des polizeilichen Gegenübers“, heißt es bei der GdP Nordrhein-Westfalen. Hier wurden Taser ebenfalls erfolgreich von Spezialeinheiten eingesetzt. Jetzt fordert man den flächendeckenden Einsatz.

Allerdings verlangen die Gewerkschafter zuvor die Klärung offener Fragen. Dazu zählt neben der waffenrechtlichen Einordnung der Elektroimpulsgeräte vor allem das Problem der Fortbildung. Trainingszeiten sind bereits jetzt knapp. Die positiven Erfahrungen der Spezialeinheiten seien nur auf andere Dienststellen übertragbar, wenn der Taser-Einsatz in besondere taktische Konzepte eingebunden werde, heißt es bei der GdP. Auch gehe der damit verbundene Fortbildungsaufwand weit über die bloße technische Bedienung der Geräte hinaus.

Der erforderliche sehr hohe und kontinierliche Trainingsstand sei angesichts der Einsatzbelastung und Personalknappheit gar nicht zu leisten, sagt Sven Hübner, stellvertretender GdP-Chef in der Bundespolizei, der daher für seine mehr als 17.000 Streifenbeamten die Ausrüstung mit Tasern ablehnt. 

In Sachsen sieht man das gelassener. Da räumte Innenminister Markus Ulbig (CDU) ein, daß die SEK-Beamten 2016 jeweils einmal vier Stunden den Umgang mit den Tasern trainiert hätten.