© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Knapp daneben
Zeitgemäße Arbeitszeit
Karl Heinzen

Wie viele Stunden sollen wir täglich arbeiten? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Zwei grundsätzliche Auffassungen stehen sich gegenüber. Die Arbeitgeber meinen: Wenn wir den Beschäftigten schon unser gutes Geld in den Rachen werfen, dürfen wir erwarten, daß sie uns bis zum Umfallen (und auch darüber hinaus) zur Verfügung stehen. 

Die Arbeitnehmer hingegen würden eine tendenziell gegen Null gehende zeitliche Belastung bei steigenden Löhnen und Gehältern bevorzugen. In der realen Arbeitswelt gilt es, einen Kompromiß zwischen diesen beiden Extrempositionen zu finden. 

Lange schien er wie in Stein gemeißelt. Acht Stunden Arbeit pro Tag sollten es im Regelfall sein, und wenn es denn unbedingt erforderlich wäre, darüber hinauszugehen, dürften es höchstens zehn Stunden werden. In einer globalisierten Welt ist dies aber nicht mehr zeitgemäß. Unseren Unternehmen liegen Konkurrenten im Nacken, die über Sozialstandards lachen, und sie müssen Kunden zufriedenstellen, die über alle Zeitzonen des Planeten verteilt sind. An Schlaf ist da nicht mehr zu denken.

Es ist erfreulich, daß nun wenigstens in Österreich die Debatte über ein neues Arbeitszeitrecht eröffnet ist. 

Der Vorschlag des Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, die Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden am Tag heraufzusetzen, steht im Raum. Ein Gegenargument, das mit der ökonomischen Vernunft vereinbar wäre, gibt es nicht – außer vielleicht dem Einwand, man sollte lieber ganz auf einen Schwellenwert verzichten. Daher müssen jene, die das Recht auf Faulheit beanspruchen, ohne sich zu ihm zu bekennen, Ängste schüren. 

Eine Studie des „Zentrums für Public Health“ an der Medizinischen Universität Wien behauptet, daß es ab zehn Stunden Arbeit einen Leistungsknick gäbe und ein Zwölfstundentag ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstelle. 

Diese kühne These wird durch Millionen von Beschäftigten in Schwellenländern Tag für Tag widerlegt. Doch selbst wenn sie ein Körnchen Wahrheit enthielte, dürfte eines nicht vergessen werden: Gesundheit ist schön und gut. Aber sie will erst einmal durch harte Arbeit verdient werden.