© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Türkische Spionage in Deutschland
Das Erdogan-Prinzip
Jürgen Liminski

Man faßt sich an den Kopf: Der türkische Geheimdienst bittet den BND um Amtshilfe bei der Spionage in Deutschland. Eine Provokation Ankaras, wie Innenminister de Maiziere vermutet? Borniertheit, wie sein Kollege Uhl von der CSU meint? Es ist schlimmer: Die Erdogan-Dienste ticken wie ihr Mastermind, sie halten nicht-islamische Dienste für Handlanger, für Erfüllungsgehilfen des Sultanats.

Erdogan ist Islamist. Der Islam als solcher aber ist inkompatibel mit der Gewaltenteilung in Demokratien, sein Rechtsdenken orientiert sich an religiösen Denkschulen und nicht an Menschenrechten. Seine Geopolitik teilt Welt und Geschichte in drei Häuser: Demnach gehören zum „Haus des Friedens“ (dar al salam) die Gebiete unter islamischer Herrschaft, zum „Haus des Waffenstillstands“ (dar al sulch) jene Gebiete, in denen Muslime leben, aber noch nicht herrschen, und zum „Haus des Krieges“ (dar al harb) jene von Nicht-Muslimen beherrschten Räume. Offenbar gehört in Erdogans Weltanschauung Deutschland zum Haus des Waffenstillstands, zu den schon oder bald tributpflichtigen Ländern.

Dieses Denken ist uns ziemlich fremd. Uhl sieht in Erdogans paranoidem Machtgehabe Ähnlichkeiten zum Führerprinzip. Das ist für uns abschreckend, aber eine Umschreibung, die Erdogan sogar gefallen dürfte.