© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Ländersache
Kaum Ruhe vor dem Sturm
Peter Möller

Es klingt wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde: „Hamburg ist das Tor zur Welt und eine offene Stadt, auch für Widerspruch. Wir wollen nicht zur Festung werden“, verkündet der Hamburger Senat auf der Internetseite zum G20-Gipfel in der Hansestadt. Doch ein Vierteljahr vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der größten Industrienationen und Schwellenländer am 8. und 9. Juli wächst bei den Verantwortlichen die Sorge, daß die angekündigten Gegenproteste die Stadt ins Chaos stürzen könnten. 

Daß diese Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigte sich Ende März: Vermutlich linksextremistische Täter zerstörten bei einem Brandanschlag auf eine Polizeiwache im Stadtteil Eimsbüttel vier Mannschaftswagen; vier weitere Fahrzeuge wurden schwer beschädigt. In einem im Internet veröffentlichten Schreiben bezichtigte sich eine Gruppe mit dem Namen „Smash G20“ der Tat. „Ganz Hamburg haßt die Polizei – die ganze Welt haßt die Polizei“, heißt es in dem Pamphlet, in dem versucht wird, den Brandanschlag zu rechtfertigen: Die Polizei müsse als Beschützer der herrschenden Ordnung mit „voller Härte angegriffen werden“.

Die Sicherheitsbehörden nehmen die Drohung ernst. Doch angesichts von Gästen wie dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump gilt für das Treffen auf dem durch zwei Sperrzonen abgeriegelten Messegelände der Hansestadt sowieso die höchste Sicherheitsstufe. Aber selbst wenn die Staatsgäste von den Protesten unbehelligt bleiben sollten, könnten die aus ganz Deutschland und Europa erwarteten gewaltbereiten Linksextremisten in der Stadt vor den Augen der Welt für bürgerkriegsähnliche Zustände sorgen. Die Dimensionen sind einmalig in der Geschichte der Stadt: Der Planungsstab der Polizei rechnet mit hunderttausend Gegendemonstranten. Um die darunter befindlichen mindestens 4.000 gewaltbereiten Linksextremisten in Schach zu halten, sollen mehr als 15.000 Polizisten aus allen Bundesländern sowie von der Bundespolizei zum Einsatz kommen. Bilder von Straßenschlachten wie 2015 bei der Eröffnung der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main sollen so verhindert werden.

Im Internet versucht der rot-grüne Senat unterdessen gute Stimmung für das G20-Treffen zu machen. Dazu werden die Unterschiede zu den G7-Runden hervorgehoben: „Die G20-Staaten vertreten zwei Drittel der Weltbevölkerung, die für 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt und 80 Prozent des Welthandels verantwortlich zeichnen, während bei den G7 nur die sieben reichsten Länder der Welt zusammenkommen, die lediglich zehn Prozent der Weltbevölkerung und weniger als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung vertreten“, rechnen die rot-grünen PR-Strategen vor. 

Daß sich die vor allem vom Feindbild Donald Trump angelockten Gipfel-Gegner von derlei fein herausgearbeiteten Unterschieden beeindrucken lassen, glaubt in der Hansestadt indes ernsthaft niemand. Ähnlich hilflos wirkt die in der vergangenen Woche gestartete private Initiative „Haltung. Hamburg“. Sie fordert die Hamburger auf, während des Gipfels als Zeichen für „Weltoffenheit und Toleranz“ weiße Kleidung zu tragen. Doch dem schwarzen Block der Linksextremisten dürfte diese Initiative kaum die Schlagzeilen streitig machen.