© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Hoffen auf Trump
Libanon: Trotz Regierungspakt mit der Hisbollah fürchten die Christen die Rückkehr der Schiitenmiliz aus Syrien
Jürgen Liminski

Ist der Libanon erneut von einem Bürgerkrieg bedroht? Zwar ist mit der Wahl des Präsidenten Ende Oktober die Hülle notdürftig geflickt. Michel Aoun, der alte Haudegen und General, der in den achtziger Jahren den Syrern trotzte, dann ins Exil gehen durfte, während 15.000 christliche Soldaten und Offiziere hingerichtet wurden, hat sich mit der Hisbollah verbündet. Der 82jährige wurde, als ein Teil der Forces Libanaises, die christlichen Milizenpartei unter Samir Geagea, den Widerstand gegen seine Kandidatur aufgab, schließlich zum Präsidenten gewählt. 

Nur eine Teilung Syriens könnte Luft verschaffen

Aber die Hisbollah hängt am Tropf des theokratischen Regimes in Teheran, und Aoun ist nur eine Marionette im Machtspiel der Mullahs. Die Hisbollah bezieht Waffen und Geld aus dem Iran. Gelegentlich werden Waffenlieferungen noch vor der Ankunft im Libanon zerstört, wenn Israel die Raketen als zu gefährlich für die eigene Sicherheit einschätzt. Am Flughafen in Damaskus und auf der Straße nach Beirut detonierten in gewaltigen Explosionen die Lieferungen aus Teheran. Auch in Grenznähe läßt Israel nichts anbrennen. Einige Anschläge wurden vereitelt, und mit Drohnen beobachtet die israelische Armee ziemlich genau die Bewegungen im Norden des Nachbarlandes.

Aber selbst Israel kann die Wühlarbeit unter der Erde nicht kontrollieren. Der Süden des Libanon ist ein Tunnellabyrinth und eine Art Maginot-Linie Irans gegen Israel mit zahllosen Bunkern und kleineren Raketenstellungen. Die Aufrüstung der Hisbollah ist enorm. Schlimmer aber ist die Gefahr, die von den kampferprobten Söldnern der schiitischen Milizen ausgeht. In Beirut erfährt man vermutlich am schnellsten, was wirklich in Syrien geschieht. Im Moment geht die Angst um, daß die rund 7.000 Hisbollah-Kämpfer zurückkehren.

Die Furcht ist groß, daß die Mullahs in Teheran ihren Hilfstruppen freie Hand im Libanon lassen oder sogar befehlen, die Macht im Land ganz zu übernehmen. Die libanesische Armee hätte dem nichts entgegenzusetzen, sie ist zum Teil von der Hisbollah unterwandert, und ihre schwere Bewaffnung (finanziert von Saudi-Arabien und Frankreich) wird zum Teil gerade in Syrien eingesetzt.

 Die libanesischen Christen bereiten sich auf Attentate und Übergriffe bereits vor. Auch sie rüsten auf, haben allerdings weniger Mittel. Sie sehen eine Lösung der Krise nur in einer Teilung Syriens. Die rund zwei Millionen Alawiten seien zu schwach, um dauerhaft ganz Syrien mit den 17 Millionen Sunniten zu beherrschen. 

Zwar wird Staatschef Baschar al- Assad vom Iran und den Russen gestützt, aber Moskau will sich nicht in einem Bürgerkrieg mit hohem Blutzoll und ohne Ende engagieren. 

Samy Gemayel, einer der führenden Köpfe der libanesischen Christen, dessen Onkel Baschir Gemayel als gewählter Präsident von den Syrern ermordet worden war, sieht sein Land vom Westen verlassen. Die Uno sollte Sicherheitszonen an den Grenzen zu Syrien einrichten „als humanitäre Intervention nach Kapitel 7 der UN-Charta“. Das wäre billiger als die Unterstützung der Flüchtlinge in Drittstaaten. Aber der Westen habe „Libanon dem Iran geschenkt, der die Region destabilisiert“. Der Iran nutze die Hisbollah und überhaupt die Schiiten in den Golfstaaten als Stellvertreter, um ein schiitisches Großreich zu errichten, das von Teheran gelenkt werde. 

Ähnlich sieht man die Lage in Israel, aber in Washington hat man sich unter Obama auf die Mullahs eingelassen. Seit der Aufhebung der Sanktionen sind viele Milliarden Dollar nach Teheran geflossen. Sie wurden auch zur Unterstützung der Hisbollah verwandt. Die Wahl Trumps zum Präsidenten feierte Aoun entsprechend euphorisch: „Dies ist eine neue Chance für den Libanon und die Vereinigten Staaten, ihre bilaterale Zusammenarbeit zu steigern.“

Orte der Barmherzigkeit zwischen Haß und Gewalt 

All diese strategischen Überlegungen und Pläne sind für die libanesischen Christen Schall und Rauch. Auch von Trump erwarten sie nicht viel. Auch das kennen sie schon aus früheren Zeiten. Heute kommt für sie noch die Flüchtlingsfrage hinzu. Mit 1,5 Millionen Flüchtlingen ist das Land völlig überfordert. 

Jeder vierte Mensch auf libanesischem Boden ist ein Flüchtling. Weit mehr als zehntausend Flüchtlinge aus Aleppo, Homs oder Damaskus haben zum Beispiel in Zahlé in der Bekaa-Ebene Zuflucht gefunden. Oft kamen sie nur mit dem, was sie auf dem Leib hatten, in die mittlerweile größte christliche Stadt des Nahen Ostens. 

Die Kirche dort, selbst arm, nahm sie auf. Der griechisch-katholische Erzbischof, Issam Darwish, sagt: „Das päpstliche Hilfswerk Kirche in Not ist das erste, das Hilfe angeboten hat. Sonst sind wir allein mit der Not.“ 

Erzbischof Issam hat eine Tafel für die Armen, Verlassenen und Hungernden eingerichtet, die „Tafel von Johannes dem Barmherzigen“, genannt nach einem Patriarchen von Alexandrien, der geflohenen Christen half und Arme speiste. An dieser Tafel bekommen täglich fünfhundert Notleidende eine warme Mahlzeit. Es sind Kinder, Arme, Flüchtlinge, all die Verletzten an Leib und Seele. Priester und Helfer aus der Gemeinde kümmern sich auch um die seelische Not. „Zahlé soll ein Ort der Barmherzigkeit werden, am Rand der syrischen Abgründe von Haß und Gewalt.“

 Bischof Issam steht für viele Libanesen. Sie geben nicht auf. Sie wissen, daß die Einheit des Landes zwar für die Hisbollah eine Frage der Unterwerfung der anderen Volksgruppen ist, aber Drusen, Sunniten und Christen wollen sich nicht unterwerfen. Sie wissen, daß dies das Ende auch ihrer Religion im Libanon bedeuten würde. Und vor allem die Christen wissen, daß ihre Kontinuität im Libanon eine Frage der Bildung und der Resistenz, notfalls auch der militärischen Guerilla, ist. 

Wissen und ein Geist der Einheit hat sie in der ehemaligen Schweiz des Orients verwurzelt. Sie bauen Schulen und Universitäten. Eine, die Universität von Kaslik, geführt vom Orden der maronitischen Mönche, geht in die Tiefe. Fünf Stockwerke in die Erde sind die Labors der Naturwissenschaften und Vorlesungsräume gebaut, tief genug, damit Bomben ihr nichts anhaben können.