© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Anschlag mit Ansage
Rußland: Nach dem Terrorakt in der Petersburger U-Bahn sucht die russische Führung nach Antworten / Radikalislamisten schwören Rache für Syrien
Marc Zoellner

Ganz St. Petersburg steht in Trauer: Noch am Montag abend strömten Tausende von Menschen an die Sennaya-Ploshchad-Station unweit des Technologischen Instituts, um Blumen und Kondolenzkarten niederzulegen. Auch Wladimir Putin befand sich unter ihnen. Mit einem Strauß roter Rosen gedachte er der Toten, welche der Terrorakt von Anfang dieser Woche hinterließ.

Noch immer weiß man nicht viel über die Tatvorgänge. Was die Ermittler bislang wissen, reicht kaum für eine exakte Rekonstruktion des Tathergangs. Fest steht lediglich, daß ein Sprengkörper gezündet wurde – mutmaßlich eine Rohrbombe, mit Schrapnellen bestückt, um größtmögliche Verwundungen unter jenen potentiellen Opfern hervorzurufen, die sich gegen 14.40 Uhr in die St. Petersburger U-Bahn begeben hatten. 

„Wir müssen heute den Tod von vierzehn Menschen bestätigen“, teilte die aus Moskau angereiste russische Gesundheitsministerin Weronika Skworzowa am Dienstag mit. „Elf starben noch am Tatort und drei weitere unter qualvollen Umständen. Einer auf dem Weg zum Krankenhaus, zwei andere noch in der Empfangshalle der Klinik.“ Rund fünfzig Menschen wurden unter medizinische Beobachtung gestellt. 

Intensiv wird nun nach dem Täter gefahndet. Bilder von Überwachungskameras zeigten einen jungen Mann mit Vollbart und schwarzem Hut, welcher kurz vor der Explosion fluchtartig das betroffene Abteil verließ. Daß es sich bei dem verdächtigen Akbarzhon Jalilov um einen Kirgisen mit russischer Staatsbürgerschaft handelt, wurde mittlerweile vom Bischkeker Geheimdienst bestätigt. „Es gilt als sicher, daß jene Person, die des Terroranschlags verdächtigt wird, gebürtig aus unserer Republik stammt“, erklärte Ministeriumssprecher Rakhat Sulaimanov der russischen Nachrichtenagentur Tass.

Warum der 23jährige die Bombe zündete, liegt allerdings noch vollkommen im dunkeln. Russische Medien spekulieren unter anderem über eine mögliche Verbindung zur Terrorgruppe Islamischer Staat, in deren Bekämpfung Moskau in Syrien auf seiten Baschar al-Assads involviert ist. Mehrfach hatten die Radikalislamisten bereits angedroht, seinen Dschihad auch nach Rußland auszuweiten. Ebenso kommen aber auch kaukasische Anhänger des Kalifats in Frage; tschetschenische Separatisten beispielsweise, die auch in vergleichbare Anschläge auf das Moskauer Metronetz verwickelt waren. Bekannt hat sich zu der Bluttat von St. Petersburg bislang jedoch keine dieser Organisationen.

 Als einer der ersten versicherte US-Präsident Donald Trump seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin telefonisch, „die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten, den Terroranschlag gebührend zu beantworten und jene der Gerechtigkeit zuzuführen, die diesen zu verantworten haben.“ Um der Opfer zu gedenken, ließ auch die israelische Regierung mehrere Amtsgebäude in den russischen Nationalfarben anstrahlen – darunter das Rathaus von Tel Aviv.

Das Brandenburger Tor in Berlin blieb unbeleuchtet: Strahlten dort zuletzt die Flaggen Frankreichs und Großbritanniens auf – sowie die Regenbogenfahne beim Attentat auf eine Schwulenbar in Orlando –, reklamierte die Senatskanzlei ihre Ende März erarbeitete Richtlinie, daß „nur infolge eines Terroraktes in einer Partnerstadt das Brandenburger Tor angestrahlt“ werde. Zwar sei auch Orlando keine Partnerstadt, doch immerhin eine Stadt, zu welcher „Berlin eine besondere Beziehung“ habe.