© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Ouvertüre für den deutschen Terrorherbst
Im April 1977 begann mit dem tödlichen Attentat auf Generalstaatsanwalt Siegfried Buback eine neue Mordserie der linksextremistischen Rote Armee Fraktion
Wolfgang Kaufmann

Am Gründonnerstag, den 7. April 1977, ermordete ein Kommando der linksterroristischen Rote Armee Fraktion den Generalbundesanwalt Siegfried Buback sowie zwei weitere Personen und eröffnete damit die Terrorwelle, welche dann im sogenannten „Deutschen Herbst“ gipfelte. 

Über den konkreten Ablauf des Attentates besteht dabei weitgehende Klarheit: Als Bubacks Dienstwagen gegen neun Uhr morgens in Karlsruhe vor der roten Ampel in der Linkenheimer Landstraße anhielt, setzte sich ein Motorrad neben den Mercedes, wonach die Person auf dem hinteren Sitz 15mal mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr vom Typ HK43 auf die völlig überraschten Fahrzeuginsassen schoß. Buback und sein Fahrer Wolfgang Göbel waren sofort tot, während der hinten sitzende Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft, Georg Wurster, seinen Verletzungen erst am 13. April erlag. Zu der Tat bekannte sich das RAF-Kommando „Ulrike Meinhof“: Buback sei exekutiert worden, weil er „die Ermordung von Holger Meins, Siegfried Hausner und Ulrike Meinhof (…) inszeniert und geleitet“ habe, was indes nicht stimmte, weil diese drei Terroristen durch Suizid, Hungerstreik beziehungsweise einen eigenen Sprengsatz starben.

Die Rolle Verena Beckers ist bis heute ungeklärt

Allerdings ist bis heute ungeklärt, wer die beiden Attentäter auf der Suzuki GS 750 waren. Zwar machte die Bundesanwaltschaft später die RAF-Mitglieder Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt für die Tat verantwortlich, ohne aber konkrete Beweise hierfür vorlegen zu können. Deshalb blieb offen, ob tatsächlich einer der drei am 7. April 1977 am Tatort weilte, was dann später dazu führte, daß auch noch Siegfried Haag, Günter Sonnenberg, Stefan Wisniewski und Verena Becker der Morde verdächtigt wurden. 

Dabei vertrat vor allem Bubacks Sohn Michael in seinem Buch „Der zweite Tod meines Vaters“ von 2008 die Ansicht, Becker habe geschossen. Und das war tatsächlich alles andere als abwegig, denn immerhin wurden später die Tatwaffe sowie der Schraubenzieher aus dem Werkzeugset der Suzuki bei der Terroristin gefunden – des weiteren stammte eines der Haare in den später sichergestellten Motorradhelmen von ihr. Und drei der Briefumschläge, in denen die Bekennerschreiben steckten, wiesen zudem noch DNA-Spuren von Becker auf. Daß die Strafverfolgungsbehörden all diese Indizien zunächst ignorierten, veranlaßte Michael Buback zu der Behauptung, Verena Becker werde vom Verfassungsschutz gedeckt, weil sie bereits zum Zeitpunkt der Tat mit dem deutschen Inlandsgeheimdienst kooperiert habe, also nicht erst ab 1981, wie man der Öffentlichkeit glauben machen wolle.

Jedenfalls verlief der auf Betreiben des Buback-Sohnes angestrengte Prozeß wie das Hornberger Schießen: Beobachter bezeichneten das Verfahren als „Farce von Stammheim“ und stellten unisono fest, daß die Staatsanwaltschaft die Angeklagte eher zu verteidigen versuche, als deren Verurteilung anzustreben. 

Daraus resultierte dann auch die lächerlich geringe Strafe von vier Jahren Haft wegen Beihilfe zum dreifachen Mord, die am 6. Juli 2012 verhängt wurde, wobei Becker nachfolgend keinen einzigen Tag davon absaß. Gleichermaßen macht stutzig, daß der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble Teile der Verfassungsschutzakte von Becker aus Gründen der nationalen Sicherheit sperren ließ und das Bundeskriminalamt zudem 1994 allerlei Beweismittel wie Abhörtonbänder und Ermittlungsunterlagen vernichtete. 

Hier drängen sich Parallelen zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund auf: Haben die Sicherheitsbehörden die rechts- und linksextremen Terroristen womöglich an der langen Leine agieren lassen, um ein politisch instrumentalisierbares Gefahrenmoment zu schaffen, bis die „Freien Mitarbeiter“ dann unversehens aus dem Ruder liefen?

Im Falle der RAF wird die Öffentlichkeit wohl keine Antwort mehr auf solche Fragen bekommen, denn die Akte Buback ist seit dem 24. März 2016 endgültig geschlossen. An diesem Tag stellte die Bundesanwaltschaft auch das Ermittlungsverfahren gegen Wisniewski nach mehr als acht Jahren Dauer ein.