© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Ländersache
Über Statistik streiten
Paul Leonhard

Wenn der Görlitzer Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel hört, wie Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) die steigende Kriminalität im Freistaat interpretiert, kommt ihm die Galle hoch. Es sei eine „die Wirklichkeit sabotierende Lüge zu behaupten, die hohen Kriminalitätswerte von Asylbewerbern seien auf Schwarzfahren und andere angebliche Lappalien zurückzuführen“, schimpft der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion. 

Die jetzt veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik 2016 gibt ihm recht. Kleinlaut muß selbst Ulbig einräumen: „Die veränderte Sicherheitslage stellt uns vor neue Herausforderungen.“ Im vergangenen Jahr wurden knapp 325.000 Straftaten registriert, knapp 10.000 mehr als 2015. „Der Anstieg ist vor allem auf die gewachsene Zahl von Straftaten durch Zuwanderer zurückzuführen“, heißt es in der Presseerklärung des Innenministeriums. Jeder zehnte ermittelte Tatverdächtige sei ein Zuwanderer. Besorgniserregend sind dabei die um zehn Prozent gestiegenen Wohnungseinbrüche. Lediglich knapp 20 Prozent konnten aufgeklärt werden. Von den 834 ermittelten Tätern war jeder fünfte ein Ausländer. Auch bei den knapp 6.000 aufgeklärten Fällen von gefährlicher und schwerer Körperverletzung waren mehr als 20 Prozent Zuwanderer die Täter. Sorgen bereiten 685 ausländische Mehrfachintensivtäter – vor allem Tunesier, Marokkaner, Libyer und Georgier – , auf deren Konto 7.252 Straftaten gehen.

Daß laut Statistik mehr als die Hälfte der 18.395 nichtdeutschen Tatverdächtigen Zuwanderer sind und ihr Anteil damit von 6,7 auf 10,2 Prozent gestiegen ist, ruft linke Politiker auf den Plan. Durch den auf die Ausländer gerichteten Fokus entstehe ein völlig schiefes Bild, kritisiert Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag. „Wir sprechen über die 1,1 Prozent Intensivtäter, aber eben nicht über die 63.000 Zuwanderer, die nicht straffällig werden.“ Auch die SPD spricht von „überzogenen Bewertungen“, die Grünen von einer Stigmatisierung aller in Sachsen lebenden Ausländer durch die Sonderstatistik zum Thema Ausländer. Selbst die Gewerkschaft der Polizei warnt davor, sich angesichts der gewachsenen Zahl von Straftaten durch Zuwanderer allein um politische Lösungen zu bemühen: „Es gibt auch eine Menge Gründe, die vor der eigenen Haustür zu suchen sind.“

Sachsen würde im Vergleich zu anderen Bundesländern hinsichtlich der Sicherheit immer mehr an Boden verlieren, heißt es in einer Reaktion der Gewerkschaft auf die Kriminalitätsstatistik. Ulbig verweist dagegen darauf, daß sich ein Großteil der durch Zuwanderer verübten Gewalttaten und auch die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gegen andere Zuwanderer gerichtet hätten. Immerhin scheint ihm aber die durch „die Zuwanderungssituation und die gewachsene Bedrohung durch den islamistischen Terror“ geprägte Kriminalitätsentwicklung tatsächlich Sorgen zu bereiten. 

Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz zeigt sich von allen Statistiken dagegen unbeirrt: „Deutschland ist sicher, Sachsen ist sicher, Leipzig und Umgebung sind auch sicher.“ Als dialektisch geschulter ehemaliger Volkspolizei-Offizier kann Merbitz auch den schlimmsten Zahlen etwas Positives abzugewinnen: „Es sind nicht nur die Ausländer kriminell.“