© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Sprengstoff oder Böller, das ist die Frage
Prozeß: Vor dem Oberlandesgericht Dresden wird gegen Rechtsextremisten verhandelt, die Anschläge auf Asylheime geplant haben sollen
Hinrich Rohbohm

Hitlergruß, Hakenkreuz-Transparente und Haßbotschaften. Die Beweisfotos, die über die Flachbildschirme des Dresdner Oberlandesgerichts flimmern, lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß es sich bei den acht Angeklagten um Rechtsextremisten handelt. Ein Gespann, das als „Terrorgruppe von Freital“ mediale Aufmerksamkeit erlangte. 200 Polizisten – darunter Beamte der Spezialeinheit GSG 9 – waren vor einem Jahr im Einsatz gewesen, um die Beschuldigten bei Hausdurchsuchungen dingfest zu machen.

„Klima der Angst              und Repression“

Sieben Männer und eine Frau im Alter zwischen 19 und 39 Jahren müssen sich deshalb seit dem 7. März wegen Bildung einer „rechtsterroristischen Vereinigung“ und des Verübens von Sprengstoffanschlägen vor dem Oberlandesgericht verantworten. Der Generalbundesanwalt hat die Gruppe auch wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen und Sachbeschädigung angeklagt. 

Der Anklage zufolge sollen sich die Mitglieder ab Juli 2015 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben – mit dem Ziel, Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte, Flüchtlingshelfer und politische Gegner zu verüben. Die Beschuldigten hätten dadurch ein „Klima der Angst und Repression“ erzeugen wollen, erklärt die Bundesanwaltschaft. Dabei hätten vor allem der 25 Jahre alte Patrick F. und Timo S. (28) als Anführer der Gruppe fungiert. 

Zumeist mit einem süffisanten Lächeln im Gesicht lauschen die acht Beschuldigten dem Prozeßverlauf. Sie verfügen nicht über das typische äußere Erscheinungsbild von Rechtsextremisten. Keine kahlgeschorenen Köpfe, auch keine in der Szene üblichen starken Tätowierungen lassen sich erkennen. Zum harten Kern in der Neonazi-Szene zählen sie ohnehin nicht, gehören nicht zu den üblichen gescheiterten Existenzen des Milieus. Sie arbeiten als Busfahrer, Paketzusteller, Altenpfleger, Gleisbauer oder Lagerist und sind im Alltagsleben zunächst nicht weiter aufgefallen. 

Aussagen wollen sie vor Gericht nicht. Bis auf Justin S. Der 19jährige ist der Jüngste aus der „Gruppe Freital“. Seine Beteiligung an den Anschlägen gibt er zu. Und packt auch in bezug auf seine Kameraden aus. Zu den Taten aufgewiegelt hätten sie vor allem Timo S. und Patrick F. 

„Patrick F. hat die Böller organisiert“, erklärte Justin S. vor Gericht. Dagegen habe Timo S. die Gruppe angestachelt und motiviert. Auch die restlichen Angeklagten seien an den Anschlägen beteiligt gewesen, sagt Justin S. Ein als Zeuge geladener Polizeibeamter bestätigt die führende Rolle der beiden ebenfalls. Bei der Vernehmung eines NPD-Politikers, so der Ermittler, habe dieser ihm gegenüber beide als „Hardcore-Rechte“ bezeichnet, die sich „zunehmend radikalisiert“ hätten. Er selbst habe sich von der Gruppe distanziert, als diese zu radikal geworden sei. Er sei auch dabeigewesen, als einige der Beschuldigten mit Hakenkreuzfahne und Hitlergruß für Fotoaufnahmen posiert hatten. 

Die Bilder werden auf den Flachbildschirmen des hochmodern ausgestatteten Gerichtssaals gezeigt. Hinter einem Transparent mit Hakenkreuzen  sind mehrere junge Männer zu erkennen, die den Arm zum Hitlergruß ausstrecken. Die Angeklagten scheint das nicht zu stören. Keine verschämten Blicke, kein Ausdruck der Reue ist zu erkennen. Lediglich das stetig wiederkehrende süffisante Lächeln huscht über ihre Gesichter. Manchmal folgt ein erfreutes Kopfnicken, wenn Freunde in den durch eine Glaswand abgetrennten Besucherraum eintreten. 

Während die Beweise für eine Tatbeteiligung der Angeklagten erdrückend sind, bleibt bisher unklar, ob die Explosionen wirklich durch Sprengstoff oder lediglich durch „Böller“ hervorgerufen wurden. Ein weiterer als Zeuge geladener Polizeibeamter spricht von „Sprengübungen“, die die Freital-Gruppe auf dem Gelände eines leerstehenden Lagergebäudes vorgenommen habe. Mitglieder der Gruppe seien nach Tschechien gefahren, um sich dort mit Spezialböllern einzudecken. Einige dieser Knallkörper könnten möglicherweise bereits als Sprengstoff gelten. Die „Sprengübungen“ seien jedenfalls „deutlich lauter als Böller gewesen“. 

Der Prozeß gegen die „Gruppe Freital“ wird voraussichtlich noch bis Ende September andauern.