© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Referendum in der Türkei
Erdogans Ermächtigung
Jürgen Liminski

Selbst wenn man Unregelmäßigkeiten ins Kalkül zieht – Erdogan hat eine Mehrheit hinter sein Ermächtigungsgesetz gebracht. Das ist eben die Schwäche der Demokratie: Sie kann mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden. Die Deutschen kennen das. Ausgestattet mit neuer Legitimität wird Erdogan nun sein islamistisches Projekt vorantreiben. Die Medien werden völlig gleichgeschaltet werden. Es ist ihm gleich, was die Kanzlerin mahnt. Das Wort Merkels vom „respektvollen Dialog“ galt vermutlich auch mehr den Türken in Deutschland. Berlin muß verhindern, daß der Funke der Feindschaft in der Türkei auf Deutschland überspringt. 

Es wäre jedenfalls eine Illusion, an die große Versöhnung zu glauben. Auch für Erdogan gilt das Wort, das Karl Dietrich Bracher in einem Bändchen über Totalitarismus schrieb: „Demokratie bedeutet Selbstbeschränkung, Ideologie Selbsterhöhung“. Diese Selbsterhöhung mündet fast immer in Gewalt. Der Schatten des Bürgerkriegs liegt fortan auf der Türkei. 

Für die Europäer bedeutet das zweierlei: Man sollte die Beitrittsverhandlungen endlich abbrechen. Und man sollte sich, zweitens, darauf gefaßt machen, daß in den nächsten Jahren ein neuer Flüchtlingsstrom auf Europa, insbesondere auf Deutschland zurollen könnte, diesmal aus der Türkei.