© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Kompromiß statt Knall?
AfD: Vor dem Bundesparteitag ist keine Entspannung zwischen den gegnerischen Lagern in Sicht / Basis sehnt Ende der Querelen herbei
Christian Vollradt / Lukas Steinwandter

Das habe sie wirklich sehr geschickt gemacht, meint ein AfD-Politiker anerkennend. Am Dienstag, vier Tage vor Beginn des Bundesparteitags in Köln, hatte Frauke Petry als Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen zur Pressekonferenz gebeten – nach Berlin. Das Thema: „Die neue Medienordnung Deutschlands“. Das große Medieninteresse war erwartbar. Genauso wie die Tatsache, daß die Journalisten nicht gekommen waren, um sich über die Pläne zur Abschaffung des Rundfunkbeitrags oder zur Beschneidung der Öffentlich-Rechtlichen zu informieren. Und doch beantwortete Petry strikt nur Fragen zu diesem Thema. Kein anderes Mitglied des Bundesvorstands oder anderer Landtagsfraktionen saß auf dem Podium, allein Petry und ihre Dresdner Fraktionsstellvertreterin Kirsten Muster. Weil, so die Begründung, „wir Sachsen hier federführend sind“. Und – mit einem Augenzwinkern – hinzugefügt: „Als Beleg dafür, daß wir inhaltlich arbeiten wollen und können.“ Also ganz im Sinne des Antrags zugunsten einer „realpolitischen“ Ausrichtung der AfD, den die Bundessprecherin in Köln einbringen möchte (JF 16/17). 

Dabei lief es in jüngster Zeit nicht besonders günstig für Petry. Den großen Teil des Bundesvorstands hat sie gegen sich, die Mehrzahl der Landesvorsitzenden steht nicht (mehr) hinter ihr. Selbst der Bayer Petr Bystron, einst fest im Petry-Lager verortet, schien zuletzt auf Distanz zu gehen; möglicherweise auch aufgrund der kalten Dusche, die er bei der Listenaufstellung zur Bundestagswahl abbekam. 

Anfang vergangener Woche trafen sich nach Informationen des Spiegels mehrere führende AfD-Funktionäre klandestin in Goslar, um die Aufstellung eines Spitzenteams für die Bundestagswahl zu sondieren. Gemeinsamer Standpunkt der Fronde: Hauptsache ohne Petry. Mit dabei Alexander Gauland, der zuvor versichert hatte, er wolle nicht gegen die Vorsitzende kandidieren. Ebenfalls anwesend: Thüringens Landeschef Björn Höcke, gegen den ein Ausschlußverfahren läuft. Aber auch hier mußte Petry einen Rückschlag hinnehmen. Einer der vermeintlichen Kronzeugen, der Höckes Nähe zur NPD belegen soll, steht für eine entsprechende Aussage nicht zur Verfügung. „Es steht mir schlichtweg nicht zu, im Vorfeld der Bundestagswahl schädliche Flügelkämpfe innerhalb der Alternative für Deutschland zu befeuern und damit der einzigen ernstzunehmenden Opposition in Deutschland zu schaden“, teilte das frühere AfD-Mitglied Heiko Bernardy auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. 

„Konsens in zentralen Zukunftsfragen“

Und an einer weiteren Front mußte Petry eine Niederlage einstecken, als sie ihren publizistischen Berater und Redenschreiber Michael Klonovsky verlor. Der ehemalige Focus-Redakteur hatte Anzeige beim Arbeitsgericht München gegen den nordrhein-westfälischen AfD-Landesvorsitzenden, Petrys Ehemann Marcus Pretzell, eingereicht. Grund dafür seien nichtgezahlte Honorare in Höhe von 24.000 Euro. Kurz darauf reagierte Pretzell mit einem langen Facebook-Eintrag. Darin warf er Klonovsky vor, die AfD zu erpressen.

So stehen sich in der Auseinandersetzung zwei widersprüchliche Narrative gegenüber: Zum einen das der Petry-Gegner, wonach es ihr und ihrem Mann nicht um Inhalte, sondern um den bloßen Machterhalt und um Pfründe gehe. Zum anderen das Petrys, wonach sie das Bollwerk gegen einen angeblich drohenden Rechtsruck der Partei sei.

Hört man sich an der Basis um, scheint die Sehnsucht nach einem Ende der Personalquerelen groß zu sein, genauso wie der Wunsch, endlich über Inhalte zu sprechen. Und das sehen offenbar nicht allein „einfache“ Mitglieder so. „Sichere Grenzen, Einwanderung, innere Sicherheit, Islam, direkte Demokratie und der Euro: Diese Themen sind es, die den Bürgern in diesem Land unter den Nägeln brennen und die uns allen in der AfD wichtig sind“, meint etwa die Berliner Landesvorsitzende Beatrix von Storch gegenüber der jungen freiheit. Für die Spitzenkandidatin der Hauptstadt-AfD scheint dies eine Möglichkeit zu sein, als geeinte Partei in den Wahlkampf zu ziehen: „So können wir Bürgerlich-Liberale und Nationalkonservative ansprechen, die Partei in der Mitte der Gesellschaft verankern und die Grundlage dafür schaffen, eine bürgerliche Volkspartei zu werden.“ 

Denn ungeachtet der aktuellen Querelen gebe es in der AfD bei „zentralen Zukunftsfragen einen breiten Konsens“, so von Storch. Jede politische Entscheidung müsse danach bewertet werden, „ob wir damit die drängenden Fragen unserer Zeit beantworten und unsere gemeinsamen Ziele erreichen. Opposition um der Opposition willen kann ebensowenig ein Selbstzweck sein, wie eine mögliche zukünftige Regierungsbeteiligung um der Regierungsbeteiligung willen.“ Unüberhörbar äußert sich hier der Wunsch, das Gerede über einen „Realo“- und einen „Fundi“-Flügel zu den Akten zu legen. 

Offenbar gibt es Bestrebungen, in Köln den großen Knall im Keim zu ersticken und eine Kompromißlösung zu finden. Zum Beispiel, indem Petrys Antrag zur strategischen Ausrichtung der AfD die gegen ihren Stellvertreter Alexander Gauland gerichtete Spitze genommen wird. Manche Delegierte wollen erreichen, bei allen Anträgen, die den Personalstreit weiter anheizen könnten, vor der inhaltlichen Debatte für „Nichtbehandlung“ zu votieren. Am Dienstag nahm Frauke Petry während ihrer Pressekonferenz zu all dem keine Stellung. Um dann allerdings doch noch anzukündigen, sie werde sich „wahrscheinlich noch vor dem Parteitag öffentlich dazu äußern“. 

Weitaus größere Sorgen machen sich viele Delegierte allerdings aufgrund der angekündigten Gegendemonstrationen, an denen sich auch gewaltbereite linksextreme Gruppen beteiligen wollen (JF 16/17). „Hauptsache, wir kommen unversehrt zum Parteitag und wieder zurück“, so die Parole eines Mitglieds. 

In einem Brief hatte sich die AfD auch an Bundesinnenminster Thomas de Maizière (CDU) mit der Bitte um Beistand gewandt. Dessen Sprecher sagte am Mittwoch vergangener Woche, der Minister trete stets dafür ein, „daß man unterschiedliche Auffassungen hart in der Sache, aber fair im Umgang miteinander austrägt“. Dies gelte sowohl für Befürworter der AfD als auch für ihre Gegner.