© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Federführend und Federn lassend
Christian Vollradt

Peter Altmaier hat künftig noch einen Schreibtisch mehr. Der direktgewählte CDU-Bundestagsabgeordnete aus Saarlouis wird nicht mehr nur Chef des Kanzleramts (und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung) sein, sondern Angela Merkel auch im Konrad-Adenauer-Haus zu Diensten sein. Neben seiner Vollzeittätigkeit als Minister soll Altmaier nun also auch noch „federführend“ das Wahlprogramm der Union verfassen. 

Darf der das, wurde sofort gefragt, vertragen sich Staatsdienst und Parteiinteresse? Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann warf dem großkoalitionären Kanzleramtschef denn auch gleich vor, er verquicke „unzulässig Partei- und Regierungsarbeit“. Der FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach gar von Verfassungswidrigkeit und forderte – wie der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger – Altmaier müsse sein Regierungsamt aufgeben. 

Das sieht der Staatsrechtler und profilierte Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim anders: Solange Altmaier keine personellen und finanziellen Ressourcen des Amtes zur Parteiarbeit nutze, sei dessen Doppelfunktion genauso unbedenklich wie die anderer Regierungsmitglieder, die (fast alle) auch noch in ihrer jeweiligen Partei Funktionen innehätten. „Alle sitzen im Glashaus, weshalb sie vorsichtig sein sollten, mit dem Finger auf die anderen zu zeigen“, meinte von Arnim in der Welt. „Unser Staat ist in allen Sphären von Parteien durchdrungen, daß in der Praxis eine Trennung in breiten Grauzonen nicht mehr möglich ist.“ Von Arnim sieht das durchaus als „ein Riesenproblem“. Aber, so der emeritierte Hochschullehrer aus Speyer: „Inzwischen hat man davor kapituliert.“ 

Doch die Personalie Altmaier offenbart noch einen weiteren Aspekt. Den hat niemand so prägnant auf den Punkt gebracht wie die Bild-Zeitung: Angela Merkel habe damit den CDU-Generalsekretär Peter Tauber „enteiert“, titelte das Boulevardblatt vergangene Woche. Etwas weniger drastisch, im Prinzip aber genauso, bewerteten auch andere Medien die Neubesetzung. Da konnte sich die Partei noch so Mühe geben, nach außen den Anschein von Eintracht und Teamgeist zu beschwören. Doch entmachtet werden kann eigentlich nur jemand, der zuvor wirklich Macht besessen hat. Und das wird im Fall des Generalsekretärs Tauber von einigen bezweifelt. Der Hesse hat nicht nur Freunde in der Union. Unvergessen sein Ausfall bei einer parteiinternen Besprechung im vergangenen Jahr: „Wer hier nicht für Angela Merkel ist, ist ein Arschloch und kann gehen“ soll Tauber Kritikern entgegengeschleudert haben. Die lästern im Gegenzug über den unverheirateten Partei-Hipster, der gern Sneaker zum Anzug trägt und damit vielleicht besser in die Medienwelt von Berlin-Mitte passen würde. 

In Wahrheit, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, ziehe schon längst nicht Tauber, sondern Merkels ebenso loyale wie öffentlichkeitsscheue Bürochefin Beate Baumann die Strippen in allen wesentlichen Entscheidungen. Insofern wird sich, was den Einfluß des Kanzleramts im Adenauerhaus angeht, faktisch nicht viel ändern.