© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

„Nur unzureichend fähig“
Arbeitsmarktanalyse: Asylzuwanderer mit großem Beschäftigungsdefizit
Mathias Pellack

Die Flüchtlinge, die 2015 gekommen sind, seien „nach der Wiedervereinigung das Zweitbeste, was Deutschland passieren konnte, um seine Perspektiven zu verbessern und zukunftsfähig zu bleiben“, erklärte David Folkerts-Landau bei der Vorstellung des Wirtschaftsausblicks der Deutschen Bank vor anderthalb Jahren in Frankfurt. Der Chefvolkswirt des größten deutschen Geldhauses schränkte aber schon damals vorsorglich ein: Ihm sei bewußt, „welche Herausforderung es ist, Hunderttausende Menschen aufzunehmen“.

Was der Harvard- und Princeton-Absolvent damit meinte, spürt die Bundesagentur für Arbeit (BA) immer mehr. Seit 2016 gibt es in Deutschland 133 Prozent mehr Sozialleistungsbezieher, die nicht aus Europa stammen. Den fast 700.000 Hartz-IV-berechtigten Asyleinwanderern aus Syrien, Irak oder Afghanistan stehen aber nur 131.000 sozialversicherungspflichtige (SV) Beschäftigte aus den genannten und weiteren Asylherkunftsländern gegenüber.

Die neuerlich von der BA verfeinerte Statistik schlüsselt – beginnend mit Januar 2011 – die erwerbslosen und leistungsbeziehenden Ausländer nach ihren Herkunftsländern auf. Was daraus ersichtlich wird, übertrifft alle Befürchtungen von Pessimisten. Drei von vier Syrern belasten das Sozialsystem durch Hartz-Bezüge. Nur 6,5 Prozent haben eine SV-Arbeit – zahlen also in den Topf, aus dem sie unterhalten werden, zumindest etwas ein. Unter den Deutschen und Eingebürgerten herrscht eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsquote von 59,9 Prozent. Nur 7,3 Prozent erhalten Unterstützung.

Das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) entschuldigt die niedrige Beschäftigungszahl der Flüchtlinge und argumentiert mit einer Umfrage: Dies liegt „zu 86 Prozent an den mangelnden Deutschkenntnissen“. Läge es aber nur an der Sprache, müßten andere Ausländergruppen ähnliche Werte aufweisen. Selbst die oft in den Medien auftauchenden EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien sind zu 53,9 beziehungsweise 43,6 Prozent SV-Einzahler. Ihre Arbeitslosenquote liegt bei 9,1 beziehungsweise 26 Prozent.

Die Kenntnis des lateinischen Alphabets ist ein Vorteil, aber als Grund für das schlechte Abschneiden der Syrer – auch relativ zu den kyrillisch schreibenden Bulgaren – reicht dieser Erklärungsansatz nicht. Denn auch die ab 1960 eingewanderten Gastarbeiter aus der „lateinischen“ Türkei zahlen im Schnitt nur zu 42,7 Prozent in den SV-Topf ein. 19,3 Prozent sind arbeitslos.

Zwei Drittel Analphabeten

Ludger Wößmann, Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, schätzt den Anteil der funktionalen Analphabeten auf zwei Drittel der syrischen Schüler. Grundlage sind 2011 von der OECD erstellte Gutachten wie Pisa und Timss. In Deutschland seien nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung „unzureichend fähig“ in Schriftsprache und Grundrechenarten.

Bei den EU-Ausländern der Osterweiterungen von 2004, 2007 und 2013 sind 48,9 Prozent Einzahler in die Sozialversicherung. Von den Immigranten aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern tragen hingegen nur 12,2 Prozent etwas zu den gemeinschaftlichen Sicherungssystemen bei. Das ist eine Beteiligung von lediglich einem Viertel dessen, was durchschnittliche Einwanderer in Deutschland zusteuern. Zusätzlich wird die exponentielle Vermehrung der ausländischen Sozialleistungsbezieher vor allem die Kommunen belasten, welche Träger der zuständigen Jobcenter sind. Jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge erwirtschafteten Gemeinden 2016 5,4 Milliarden Euro Überschuß – 2,2 Milliarden mehr als im Vorjahr. Dieses Plus wird der guten konjunkturellen Entwicklung zugeschrieben. Und ob die Flüchtlinge Deutschland verlassen, wenn die Konjunktur abflaut, ist fraglich. Fest steht, daß es von 2015 zu 2016 eine Steigerung der Sozialausgaben von 5,2 Milliarden Euro gab.

Das Konzept der künftigen Einbürgerung potentieller Beitragszahler sieht der Direktor des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht (MPISOC), Axel Börsch-Supan, positiv. Da mehr als die Hälfte der Flüchtlinge jünger als 25 Jahre sei, würden sie „noch 40 Jahre lang Beiträge zahlen – also genau in dem Zeitraum, in dem die Babyboomer in den Ruhestand gehen und die Rentenkasse stark belasten“, so der Ökonom in der FAZ.

„Nach fünf Jahren ist die Hälfte der Asylbewerber in den Arbeitsmarkt integriert. Bei einer Million arbeitsfähigen Flüchtlingen sind das 500.000 Arbeitslose“, meinte Börsch-Supan. Und das sei nur der ungünstigste Fall, denn „wenn wir die Hürden für die Arbeitsaufnahme senken und uns bei der Jobvermittlung anstrengen, können es am Ende sogar noch sehr viel weniger sein“.

Zynisch ließe sich die Aussage des MPI-Direktors so zusammenfassen: „Während DHL, Hermes und DPD händeringend nach Paketboten suchen, sitzen arbeitswillige Syrer bei lästigen Deutschkursen herum.“ Die arbeitsmarkttechnische Integrationsfähigkeit der jüngsten Asyleinwanderer ist aber noch zu beweisen. Ein weiteres Absenken der Ausbildungsanforderungen dürfte den lautstark beklagten Fachkräftemangel sicher nicht lindern. Positiv fallen hingegen Ungarn, Kroaten und Slowenen auf: Ihre Arbeitslosenquoten sind geringer als die der Deutschen und Eingebürgerten. Sie sind bis zu 56,5 Prozent SV-Beitragszahler und liegen damit nur 3,4 Prozentpunkte unter den Deutschen.

„Arbeitsmarkt kompakt – Auswirkungen der Migration auf den deutschen Arbeitsmarkt“:  statistik.arbeitsagentur.de