© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

Binswangers Visionen: Brüssel nur Zwischenstopp auf dem Weg zum Weltstaat
Diffuse Ängste vor dem Zerfall der EU
(ob)

Der „Weltstaat“ ist in der Idee des heutigen Nationalstaats angelegt, das Stammesprinzip durch das Recht abzulösen. Darum, so behauptet der emeritierte St. Gallener Nationalökonom Hans Christoph Binswanger, werde es zwar nicht „zwangsläufig“ zu einem Weltstaat kommen. Aber die von ihm seit langem vertretene Zukunftsvision sei keineswegs unrealistisch, da sie sich aus der Logik der Konzeption des Nationalstaats als Friedens- und Rechtsgemeinschaft ergebe. Der auf Umwelt- und Ressourcenökonomie spezialisierte Volkswirt, 1980 Träger des Bundesnaturschutzpreises, promovierte 1957 über das Thema „Die europäische Wirtschaftsintegration durch partielle Unionen“ und wirbt seit Jahrzehnten für ein postnationales Europa. Gerade im „Schicksalsjahr 2017“ ist er sich aber nicht sicher, ob die EU wirklich als Durchgangsstadium zum Weltstaat taugt (bdvb aktuell, 136-2017). Es sei nicht mehr auszuschließen, daß die EU zerfällt, da die Einigung nicht dem politischen, sondern dem ökonomischen Primat gehorcht habe. Regiere nur die Wirtschaft, habe der kurzfristige Profit etwa Vorrang gegenüber der Sicherung des Friedens. Daher könne sich die EU „aus dieser Verfassung heraus“ auch nicht legitimieren und verfüge gegenüber den Nationalstaaten nicht über die Durchsetzungsfähigkeit, die zu ihrer Transformation in den Weltstaat erforderlich sei. 


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