© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

Die einzig wahren Stellvertreter
Jean Raspails Erzählung über das tragische Scheitern der letzten Hüter einer „makellosen apostolischen Sukzession“
Moritz Schwarz

Selbst für Leute, die sich in der europäischen Geschichte gut zurechtfinden, ist das abendländische Schisma, das vor sechshundert Jahren die Christenheit erschütterte, eine verwirrende Zeit: Päpste in Rom, Gegenpäpste in Avignon und zeitweilig weitere in Pisa. Drei Päpste! Ein wahrer und zwei falsche? Zwei wahre ... ein falscher? Drei wahre? Drei falsche?

Wie und warum es zu dieser unseligen Entwicklung kam, und wie der nachmalige Kaiser Sigmund auf dem Konstanzer Konzil (1414–1418) daranging, das Schisma zu beenden, das in Wahrheit auch nach dem offiziellen Schlußstrich noch lange nicht aus der Welt war, das schildert der französische Erzähler Jean Raspail in seinem Buch „Der Ring des Fischers“.

Ende des 20. Jahrhunderts erlischt die heilige Fackel

Zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen in Frankreich wurde der fakten- und detailreiche Roman des heute 91jährigen großbürgerlichen Katholiken und vielfach ausgezeichneten Literaten von Joachim Volkmann für den Antai-os-Verlag endlich ins Deutsche übersetzt. Wie schon in früheren Werken hat Raspail auch in diesem Roman historische Tatsachen mit einer bis in unsere Zeit reichenden Fiktion verknüpft. So erlebt man das lange dramatische Ringen um die Beendigung des Schismas und parallel dazu in Zeitsprüngen, wie sich das nie abgedankte avignonesische Papsttum fortsetzt. 

Im Gegensatz zu den Heiligen Vätern in Rom erweisen sich Raspails Schattenpäpste als die wahren Stellvertreter Christi. Arm und schlicht, abseits der Gesellschaft, ohne Anerkennung und Obödienz, erfüllen sie in christlicher Demut, aber unerschütterlicher Würde ihre Aufgabe: die Sicherung der „makellosen apostolischen Sukzession“ auf dem Stuhle Petri. Doch was sich lange abzeichnet, geschieht: Ende des 20. Jahrhunderts erlischt die heilige Fackel, weil der letzte dieser erwählten Männer keinen Nachfolger mehr findet. 

Damit bezeugt und beklagt der Autor das Verschwinden von Glauben und Religion in unserer Zeit und das Elend des modernen Menschen, der um diesen Verlust nicht einmal weiß. Meisterhaft bündelt Raspail die vielen Stränge eines atemberaubenden Stücks Geschichte mit seinem umfangreichen Personal. Beeindruckend, wie er das Faktengerüst erzählerisch aufstellt, wie er die historisch überlieferten Ereignisse zu dichten Szenen komponiert und mit sicherem literarischen Pinselstrich jeden Schauplatz, jedes Gespräch und Geschehen anschaulich, lebendig und glaubwürdig macht. Manche Passagen liest man ein zweites oder gar drittes Mal, nur um sie noch einmal bewundernd zu genießen und sich der besonderen Erzähl-Atmosphäre hinzugeben. Angesichts all dieser Vorzüge kann man die hin und wieder auftretenden Typographie- oder Druckfehler mit Milde betrachten.

Jean Raspail: Der Ring des Fischers. Verlag Antaios, Schnellroda 2016, gebunden, 352 Seiten, 22 Euro