© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

Frisch gepresst

Scheibert. In seinem Nachruf hat Nicolaus Sombart den Osteuropa-Historiker Peter Scheibert als „stockkonservativen, stark antiliberalen Prototyp jener deutschen Männer“ charakterisiert, deren Idiosynkrasien das deutsche Denken so fatal geprägt hätten (JF 16/95). Zu den angebotenen unüberwindlichen Abneigungen, den Idiosynkrasien eben, zählte bei Sombart, dem Experten für die Kollektivpsyche der sich ihre Feinde nur einbildenden Wilhelminer, selbstverständlich auch die Furcht vor dem Kommunismus. Viel von dieser bizarren Deutung hat Esther Abel nun in ihre Biographie des Gelehrten übernommen. So habe sich der Initiator des Bundes Freiheit der Wissenschaft in seinem jahrelangen Kampf gegen den „Linksfaschismus“ (Jürgen Habermas) an der Marburger DKP-Universität nur gegen eine „vermeintliche“ Bedrohung durch „Marxismus-Verdächtige“ gestemmt. Und das hier kaum ansatzweise gewürdigte Hauptwerk Scheiberts, „Lenin an der Macht“ (1984), das mit der Mär vom „guten“ Lenin und seinem „bösen“ Erben Stalin definitiv aufräumte, stelle in seinem „antibolschewistischen Furor“ Lenins Regime doch allzu „schwarz in schwarz“ dar (Dietrich Beyrau). Alles in allem darf der finanzielle Förderer dieser Bochumer Dissertation, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit solcher Kolportage seines postfaktischen Geschichtsbildes zufrieden sein. (wm)

Esther Abel: Kunstraub – Ostforschung – Hochschulkarriere. Der Osteuropahistoriker Peter Scheibert. Schöningh Verlag, Paderborn 2016, gebunden, 285 Seiten, Abbildungen, 44,90 Euro





Heidegger. Der wachsende Literaturberg über den Meisterdenker Martin Heidegger erweist sich immer mehr als Herausforderung für Exegeten, doch noch eine Nische zu besetzen, die von der Konkurrenz bisher nicht entdeckt wurde. Cai Werntgen, seit 2004 Lehrbeauftragter für Philosophie an Peter Sloterdijks Karlsruher Hochschule für Gestaltung, versucht sein Glück im Genre „Heidegger und“ mit dem französischen, 1955 in die USA ausgewanderten Künstler Marcel Duchamp (1875–1968), einem „maximalen Antipoden“ des Feldweg-Denkers. Er hält dieses Kontrastprogramm für besonders geeignet, um den „gestischen Heidegger-Code und darin zugleich die performative Signatur der philosophischen und ästhetischen Moderne in aller Schärfe anschaulich werden zu lassen“. (dg)

Cai Werntgen: Heidegger after Duchamp. Skizze für eine Philosophie der Geste. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2016, broschiert, 171 Seiten, Abbildungen,  15 Euro