Der Bus der öffentlichen Verkehrsbetriebe ist voll. Die Fahrgäste stehen auf Tuchfühlung. Meinem Sitzplatz gegenüber hat sich gerade eine grazile Blondine einen Stehplatz erkämpft. 

Die junge Frau ist auffallend attraktiv, so daß im dichten Gedränge anerkennende Blicke auf ihr ruhen: hochgesteckte Haare, schmales Gesicht mit großen Reh­augen, schlanke Figur. Der Haltestelle nach, an der sie zugestiegen ist, könnte sie durchaus eine Ballettänzerin sein. Einschätzende Männerblicke zu ignorieren ist sie jedenfalls gewöhnt, denn ihre Augen blicken selbstbewußt und starr nach draußen.

Der Regenschirm­besitzer bekommt 

ein Küßchen auf die Wange gehaucht.

Plötzlich schiebt sich durch die Stehenden langsam aber zielsicher das stumpfe Ende eines großen Regenschirms auf sie zu und berührt sie sanft am Oberarm. Die Frau zuckt erschrocken zusammen, ignoriert diese offensichtlich primitive Anmache und steht noch ein bißchen steifer. Aber der Besitzer des Regenschirms scheint hartnäckig und wiederholt seine Annäherung. 

Beim dritten Mal verzieht sie schließlich genervt ihr Gesicht. Ihre Blicke suchen den Provokateur, wandern den Schirm entlang zu dessen Besitzer: Sie enden bei einem jungen Mann, der sich leicht von seinem Sitzplatz erhoben hat und freundlich lächelnd andeutet, ihn gern räumen zu wollen, wenn die Frau denn möchte. Die Blondine entscheidet sich schnell und folgt der Einladung. Die einen gewissen Neid ausstrahlenden Blicke der Männer folgen ihr.

Der Regenschirmbesitzer bekommt ein Küßchen auf die Wange gehaucht. Man kennt sich offenbar, aber nicht zu sehr. Denn die beiden wechseln kein Wort. Lediglich ein Signal der Zusammengehörigkeit sendet sie aus, indem sie ihm seinen Regenschirm abnimmt. Jetzt hält sie seinen in der rechten Hand und ihren in der linken, wie ein Panzerfahrer seine Lenkhebel. Der junge Mann lächelt still vor sich hin. Sie blickt wieder gedankenverloren ins Nichts.