© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

„Für ein zweistelliges Ergebnis alles geben“  /  Interview mit Marcus Pretzell
Die Richtungsentscheidung auf dem Bundesparteitag der AfD blieb aus. Gelingt es ihr nun am 7. und 14. Mai, in die nächsten zwei Landtage einzuziehen?
Moritz Schwarz

Herr Pretzell, Sie haben nach dem Kölner Parteitag angekündigt, in NRW einen „realpolitischen Kurs ... so wie ihn Frauke Petry oder ich für diese Partei haben möchten“ zu verfolgen. Befinden Sie sich damit im Widerspruch zur AfD-Bundespartei?

Marcus Pretzell: Nein! Denn erstens hat die Bundespartei – durch die Nichtbehandlung des „Zukunftsantrags“ auf dem Parteitag – keine Entscheidung über den Kurs getroffen, sondern diese in die Zukunft verschoben. Zweitens ist unser Kurs in NRW nicht als Opposition zur Bundespartei gemeint.

Warum haben Sie dann nach dem Parteitag extra öffentlich erklärt, in NRW „realpolitisch“ bleiben zu wollen? 

Pretzell: Ganz einfach, weil ich von den Medien danach gefragt worden bin. 

Im „Zukunftsantrag“ wurde allerdings argumentiert, daß ein Nebeneinander von realpolitischem und fundamentaloppositionellem Kurs nicht möglich sei, da dies dazu führe, daß letzterer ersteren stets aufhebe. Nach dieser Logik müßte die Bundespartei nun doch zwangsläufig auf fundamentaloppositionellem Kurs sein?

Pretzell: Nein, das hängt vielmehr vom neuen Spitzenteam für den Bundestagswahlkampf, bestehend aus Alexander Gauland und Alice Weidel, ab und von deren Unterstützung durch die Partei. Ich hoffe, daß sich dabei der realpolitische Kurs durchsetzt.

Gauland ist zweifellos erfahrener und einflußreicher, und er wurde im „Zukunftsantrag“ explizit als Repräsentant des fundamentaloppositionellen Kurses genannt. Woher nehmen Sie also diese Hoffnung?

Pretzell: Herr Gauland hat inzwischen selbst gesagt, daß er sich durchaus auch dem realpolitischen Kurs anschließen könnte. Wir sollten beiden also Gelegenheit geben zu zeigen, wohin sie wollen. 

Der schleswig-holsteinische Spitzenkandidat Jörg Nobis hält die Frage Realpolitik versus Fundamentalopposition für eine „Phantomdebatte“. Hat er nicht recht? 

Pretzell: Nein, denn eine eventuelle AfD-Regierungsbeteiligung erfordert Jahre konzentrierter Vorbereitung. Wollen wir 2021 in der Lage sein, eventuell Verantwortung zu übernehmen, müssen wir die Entscheidung rechtzeitig treffen.

Was genau hat man sich unter Ihrem realpolitischen Kurs in NRW vorzustellen?

Pretzell: Anstatt die Hälfte des Interviews damit zu verbringen, weiter eine Spaltung der AfD in Realpolitik und anderes herbeizubeten, sollten gerade Sie als JF endlich damit aufhören. Ob im Lucke-Konflikt, beim Streit um Meuthens Fraktion oder jetzt hat erstaunlicherweise ausgerechnet die JF eine Obsession, in innerparteilichen Konflikten eine ungute Rolle zu spielen. Fragen Sie also konkret nach Themen.

NRW ist das bevölkerungsstärkste Bundesland. Was wird das AfD-Resultat hier am 14. Mai für die Bundestagswahl bedeuten?

Pretzell: Bundespolitisch bedeutsam ist die Wahl hier auch, weil NRW das Stammland der SPD ist. So gerne wir Frau Merkel ablösen würden, noch mehr wollen wir Martin Schulz verhindern, der einer der wenigen Politiker mit dem Potential ist, eine noch schlechtere Regierungsarbeit zu machen als Merkel. Deshalb ist es für die Bundestagswahl sehr wichtig, aus NRW ein Signal der Ablösung der SPD zu senden! 

Mit wieviel Prozent rechnen Sie am Wahlabend?

Pretzell: Unser Ziel ist zweistellig. Und dafür werden wir alles geben!

In Umfragen ist die AfD derzeit auf dem absteigenden Ast. Sie dagegen konnten die Zustimmung in NRW von unter zehn Prozent im März auf nun elf Prozent erhöhen. Woher dieser Erfolg gegen den Trend?

Pretzell: Lange haben wir in NRW – zusammen mit Niedersachsen und Bremen – die „Rote Laterne“ der AfD getragen. Doch anders als die Nordlichter haben wir aufgeholt, und anders als die Bundespartei, die nach der vorigen Bundestagswahl wieder Wählerzustimmung verloren hat, sind wir in NRW stabil geblieben. Außerdem liegen bei uns – und das ist nach meinem Wissen derzeit einmalig in der AfD –  die Zustimmungswerte bei der Landtagswahl über denen für die Bundestagswahl. Das ist sonst überall in der AfD umgekehrt, da wir ja eine Partei sind, die eher bundespolitische Themen repräsentiert. Nun könnte man auf die Idee kommen, daß dieser Erfolg auch etwas mit dem klaren Kurs der AfD in NRW zu tun hat. 

Auffällig ist der Unterschied zu Schleswig-Holstein: Obwohl wie NRW auch ein westliches Bundesland, ein Flächenstaat und auch mit einem realpolitisch orientierten AfD-Spitzenkandidaten, hat die Partei dort doch weniger als die Hälfte der Zustimmung wie in NRW. Können Sie diese Diskrepanz erklären?

Pretzell: Dafür kenne ich die Verhältnisse in Schleswig-Holstein zuwenig. Ich bin aber zuversichtlich, daß Jörg Nobis am 7. Mai doch ein deutlich stärkeres Ergebnis als fünf Prozent einfahren wird. 

Sie zählen heute schon zu den einflußreichsten Politikern in der AfD. Nach dem 14. Mai werden Sie mit einer mutmaßlich starken Fraktion eine erhebliche Hausmacht haben. Was ist von Ihnen künftig für die Bundes-AfD zu erwarten? 

Pretzell: Ich bin schon seit drei Jahren in der AfD präsent, war auch schon Mitglied im Bundesvorstand. Ich glaube also nicht, daß die Landtagswahl nun etwas an meinem Einfluß verändern wird. Wichtiger ist diese Wahl für den Landesverband, weil sie dessen Strukturen stärken wird. Denn eine Fraktion im Parlament zu haben bedeutet da doch immer eine erhebliche Hilfe.     

Ist der Wahlkampf in NRW fair? 

Pretzell: Nein, fair ist er sicher nicht. Denken Sie nur daran, daß es auf Anregung ausgerechnet der Grünen im Land ein Fairneßabkommen zwischen den Parteien geben sollte. Wir wollten uns daran beteiligen. Die Linke allerdings nicht. Woraufhin die Grünen uns aus dem Bündnis ausgeschlossen haben. Was allerdings in gewisser Weise nur konsequent war, denn wir erleben, daß gerade all diejenigen, die dieses Abkommen unterzeichnet haben, in trauter Eintracht mit der Antifa alles tun, um unsere Veranstaltungen zu torpedieren und wir massiven Polizeischutz brauchen. Doch trotz all der Schäden und Attacken, die wir erleiden müssen, werden wir nicht aufgeben, und ich bin sicher, am Wahlabend auch belohnt werden.  






Marcus Pretzell, ist einer von zwei Landesvorsitzenden und Spitzenkandidat der AfD in Nordrhein-Westfalen. Geboren wurde der Jurist und Europaabgeordnete 1973 in Rinteln im Weserbergland.   

 

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