© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

„Für ein zweistelliges Ergebnis alles geben“ / Interview mit Jörg Nobis
Die Richtungsentscheidung auf dem Bundesparteitag der AfD blieb aus. Gelingt es ihr nun am 7. und 14. Mai, in die nächsten zwei Landtage einzuziehen?
Moritz Schwarz

Herr Nobis, kurz vor der Landtagswahl liegt die AfD in Schleswig-Holstein nur noch bei fünf Prozent. Was ist los? 

Jörg Nobis: Umfragen schwanken. Vor ein paar Tagen gab man uns noch sieben Prozent. Mit fünf halte ich uns allerdings definitiv für unterbewertet.

Binnen eines Jahres hat Ihre Landespartei in den Umfragen fast fünfzig Prozent verloren. Was ist Ihr Problem? 

Nobis: Sieht man von Zentren wie Kiel oder Neumünster ab, sind viele der Probleme in Deutschland bei uns noch nicht richtig angekommen. Zwar haben auch wir im Land zum Beispiel bei der Kriminalität eine Ausländerquote von 22 Prozent, wenn ich aber lese, welche Zustände in Duisburg oder Gelsenkirchen herrschen, kann ich nur sagen: Gottlob ist es bei uns noch nicht so weit!    

Das erklärt aber nicht Ihre Verluste. 

Nobis: Unsere neun Prozent im April 2016 waren ein Hoch unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise. Leider ist Schleswig-Holstein für die AfD ganz offensichtlich schwieriges Terrain. 

Was ist Ihr Ziel für den Wahlabend? 

Nobis: Unser Motivationsziel ist es, zweistellig zu werden! Ob das wirklich zu schaffen ist? Wir kämpfen dafür! 

Was erwarten Sie tatsächlich? 

Nobis: Sieben bis acht Prozent plus X. 

Sollten die Umfragen mit fünf Prozent doch zutreffen, droht Ihnen dann nicht sogar, den Landtagseinzug zu verpassen? 

Nobis: An fünf Prozent oder weniger glaube ich nicht! Denn das entspricht nicht der Zustimmung, die wir Tag für Tag auf der Straße erleben. Auch wenn wir im Wahlkampf massiv behindert werden. 

Zum Beispiel? 

Nobis: Massenweise werden etwa unsere Wahlplakate gestohlen, so daß wir mancherorts schon so gut wie nicht mehr sichtbar sind. Und die Medien berichten lieber und wohlwollender über die Blockaden und Gegendemonstrationen als über die Inhalte unsere Veranstaltungen. Und die Polizei – was aber sicherlich nicht die Schuld der Beamten, sondern der politisch Verantwortlichen ist – sperrt selbige so knapp ab, daß sich Bürger, die sich bei uns informieren wollen, einem wahren Spießrutenlauf aussetzen müssen – inklusive geschubst und bespuckt zu werden. Trauriger Höhepunkt: Einem Besucher wurde auf dem Nachhauseweg brutal ein Ziegelstein in den Rücken geworfen. Es ist wirklich eine Schande! 

Die „Schleswig-Holsteinische Landeszeitung“ schreibt: „Nobis ist all das nicht, was AfD-Kritiker im Gros seiner Partei sehen. Er ist gebildet, hat fast die ganze Welt gesehen, verdient gutes Geld ... Irgendwie scheint er nicht zur AfD zu passen.“ 

Nobis: Das war ein positives Portrait; aber das ist nicht die Regel. Im Gegenteil, wir werden von den meisten Medien durchaus gezielt, teils suggestiv, in schlechtes Licht gerückt. Besonders unrühmlich verhält sich der NDR. Obwohl gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender besonders zu einer fairen und objektiven Berichterstattung verpflichtet wäre. 

Sie bezeichnen sich selbst als „Weltbürger“, als „überzeugten Europäer“ und zitieren Willy Brandt („Mehr Demokratie wagen“). Gemäß dem Bild, das viele Medien von der AfD vermitteln, dürften Sie sich in der Partei allerdings gar nicht zu Hause fühlen. 

Nobis: Wieso nicht? Sogar pudelwohl! Natürlich habe ich in einigen Punkten auch eine etwas andere Meinung – so finde ich die Europäische Union an sich nicht so schlecht und möchte sie nicht verlassen. Eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU würde ich allerdings befürworten, und ich glaube, das Ergebnis wäre eindeutig. Allerdings müssen wir die EU reformieren. Eine andere Meinung zu haben, ist im demokratischen Prozeß ganz normal, und bisher habe ich nicht erlebt, daß ich mit meinen Positionen in der Alternative für Deutschland keinen Platz hätte. 

Dann ist nach Ihrer Erfahrung die AfD nach wie vor eine bürgerliche Partei? 

Nobis: Auf jeden Fall ist die Nord-AfD eine Partei aus der Mitte der Gesellschaft; und meiner Erfahrung nach auch die Bundespartei und andere Landesverbände.

Aber die Alternative für Deutschland hat sich seit dem Ausscheiden Bernd Luckes doch nachweislich verändert. 

Nobis: Das habe ich hier im Norden so nicht erlebt. Sicher, Björn Höckes Rede in Dresden hatte eine Intonation, die mir nicht gefallen und die uns im Wahlkampf auch geschadet hat. So ein Zungenschlag schreckt hier bei uns in Schleswig-Holstein viele bürgerliche Wähler ab; ich höre das im Wahlkampf auf der Straße immer wieder. Was Björn Höcke mit seinem ewigen Blick in die Vergangenheit offenbar nicht versteht, ist, daß die Bürger gerade von der AfD erwarten, daß wir den Blick nach vorne richten: Altersarmut, ein sinkendes Rentenniveau und demographischer Wandel! 

Hat die Partei mit der Nichtbehandlung von Frauke Petrys „Zukunftsantrag“ auf dem Kölner Parteitag nicht de facto dem „realpolitischen“ zugunsten eines „fundamentaloppositionellen“ Kurses abgeschworen?

Nobis: Nein, denn für mich ist dieses Gegenüberstellen von Realpolitik und Fundamentalopposition zum jetzigen Zeitpunkt eine Phantomdiskussion. Und das sage ich, obwohl ich mich dem Petry-Lager zurechne. Aber derzeit will keiner mit uns koalieren, und wie die Lage in fünf Jahren ist, weiß heute kein Mensch. Also ist die Debatte derzeit irrelevant – wir landen doch sowieso in der Opposition. Da wurden scheinbare Widersprüche konstruiert. Wie in Ihrer Frage zuvor nach Weltbürgertum und Patriotismus. Ich sehe auch da keinen Widerspruch. Ganz im Gegenteil, gerade weil ich so viel von der Welt gesehen habe, weiß ich es zu schätzen, was wir an unserem friedlichen, freien und wohlhabenden Deutschland haben, das ich vor allem auch für meine Kinder so bewahren möchte, wie wir es von unseren Vätern übernommen haben. 






Jörg Nobis, ist einer von zwei Landesvorsitzenden und Spitzenkandidat der AfD in Schleswig-Holstein. Geboren wurde der nautische Sachverständige und Geschäftsführer 1975 in Recklinghausen.  

 

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