© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Steuerzahlerbund und Grüne fordern gegenderte Formulare
Anbiederungsversuch
Jörg Fischer

Der deutsche Fiskus war 2016 so „erfolgreich“ wie nie: Bund, Länder und Gemeinden steigerten ihre Steuereinnahmen um 4,5 Prozent auf 648 Milliarden Euro. Dabei sind reine Gemeindesteuern oder diverse Zwangsabgaben noch nicht einmal enthalten. Früher wäre dies ein gefundenes Fressen für den Bund der Steuerzahler (BdSt) gewesen, doch seit fünf Jahren führt kein Praktiker aus Wissenschaft oder Wirtschaft den Verband mehr an, sondern der überzeugte Merkelianer Reiner Holznagel.

Der 40jährige Politologe, dessen Mutter CDU-Vizepräsidentin des Schweriner Landtags war, kann auf eine lupenreine politisch-hyperkorrekte Karriere zurückblicken: aus dem Hörsaal nahtlos zum Referenten beim CDU-Verband Mecklenburg-Vorpommern und ohne Umweg über die freie Wirtschaft zum BdSt. Erst Vorstandsmitglied auf Landesebene und ab 2006 beim Bundesverband, seit 2012 führt Holznagel den BdSt. Daß BdSt-Mitgründer Karl Bräuer wegen seiner NS-Verstrickungen seit 2013 nicht mehr Namensgeber des Steuerzahlerinstituts ist und die Träger des Karl-Bräuer-Preises eine neue Urkunde erhielten, wäre wohl auch unter Holznagels Amtsvorgänger Karl Heinz Däke nicht anders entschieden worden. Aber nun zusammen mit den Grünen neue, gegenderte Steuerformulare zu verlangen, wäre keinem seiner sieben Vorgänger eingefallen.

„Statt Ehemann beziehungsweise Ehefrau könnte einfach Ehepartner A beziehungsweise B abgefragt werden, damit die Eheleute selbst entscheiden können, wer zuerst und wer als zweiter Partner eingetragen wird“, forderte Holznagel im Tagesspiegel. Bei Wolfgang Schäuble rennt er damit offene Türen ein: Seit 2014 werde schon daran gearbeitet, die „Berücksichtigung von Gendergesichtspunkten“ habe im Finanzministerium „einen hohen Stellenwert“. Holznagels „Ehegatten-Neutralität der Formulare“ mag eine Petitesse sein – doch auch bei Megathemen wie Eurorettung oder Explosion der Asylausgaben segelt der BdSt hart am Merkelschen Zeitgeist.