© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Wer abschreibt liegt gut im Rennen
Literaturbetrieb: Der Autor Tom Kummer ist schon wieder beim Plagiieren erwischt worden
Richard Stoltz

Ein toller Umsturz in der Verlagsbranche kündigt sich an. Autoren, speziell Romanschreiber, sollen demnächst ungeniert plagiieren, also von anderen abschreiben dürfen, ohne von ihrem Lektor daran gehindert zu werden. Sie müssen lediglich damit rechnen, daß der Lektor ihrem Buch einen „Nachspann“ anfügt, in dem die Plagiate kenntlich gemacht werden. Das Buch, so offenbar das Verlagskalkül, werde dadurch keineswegs blamiert, sondern sogar noch aufgepeppt. Ein höherer Verkaufserfolg sei garantiert.

Auslöser der Affäre „Plagiat ja, aber kenntlich gemacht“ ist ein Roman des Journalisten Tom Kummer,  der einst das Magazin der Süddeutschen Zeitung mit frei erfundenen Interviews und anderen gefälschten Texten regelrecht überschwemmte, bis der Schwindel endlich aufflog. Jetzt meldet er sich mit einem Familienroman zurück; das Buch verkauft sich gut und fand bisher auch ein sattes Medienecho. 

Freilich, einige Kritiker entdeckten auch einige Haare in der Suppe, nämlich literarische Plagiate hier und da. Sein Berliner Verlag Blumenbar (Aufbau) hat darauf reagiert und nun verkündet, daß in einer geplanten zweiten Auflage „die von Tom Kummer benutzten Quellen ausdrücklich beim Namen genannt werden“: Kummer, so seufzend sein Verleger in einer Stellungnahme, sei nun einmal von seinem Verfahren nicht abzubringen; die literarische Qualität und Eigenständigkeit des Romans stehe dennoch außer Frage.

Was soll man dazu sagen? Nun, vielleicht dieses: Der arme Kummer ist möglicherweise verwirrt von der Berliner Politik. Dort haben in den letzten Jahren bekanntlich einige einflußreiche Spitzenpolitiker Dissertationen abgeliefert, die vor Plagiaten nur so strotzten. Vielleicht hat sich Kummer gedacht: Wenn schon Plagiate, um schlechte Politik machen zu können, warum nicht auch Plagiate, um gute Romane auf den Markt zu werfen?