© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Nonkonforme Magazine auf dem Vormarsch
Auflagenmarkt: Während die großen etablierten Titel schwächeln, können sich „Tichys Einblick“ und „Cicero“ behaupten
Ronald Berthold

Das erste Quartal hat bei den meisten etablierten Zeitschriften erneut zum Teil zu drastischen Auflageneinbußen geführt. Unkonventionelle Neueinsteiger wie Tichys Einblick und das gegen den Strich gebürstete Magazin Cicero konnten – dem Trend widerlaufend – zulegen bzw. beachtlich in den Markt einsteigen. Sehr schwer tut sich dagegen die Frankfurter Allgemeine Woche – und das trotz großer PR-Aktionen während und nach der Markteinführung.

Tichys Einblick (TE) ist erstaunlich erfolgreich gestartet – gerade dafür, daß es sich hier lediglich um den Print-Ableger eines Online-Blogs handelt. 14.000mal verkaufte sich das meinungsstarke Heft politisch unkorrekter Autoren rund um den ehemaligen Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Roland Tichy. Überraschend auch, daß sich die Auflage des Blattes mehrheitlich auf den Kioskverkauf stützt. Dort gingen 7.764 Exemplare über den Tresen. Angenommen wurde zunächst, daß TE sich vor allem über Abos von treuen Internet-Fans tragen könnte. Diese Zahl ist mit 6.214 zwar beachtlich, liegt aber unter der des freien Verkaufs. Tichy selbst sprach zur Markteinführung des gedruckten Einblicks davon, daß es sich wahrscheinlich um Sammler handele, die das Magazin kaufen würden, da alle Texte bereits online veröffentlicht worden seien.

Gemessen an der riesigen Werbekampagne und dem dahinterstehenden Zeitungsriesen FAZ ist das Ergebnis der Frankfurter Allgemeinen Woche dagegen sehr mager. Lediglich 18.980 Abonnenten und Kioskkäufer fanden sich für die Zeitschrift, die eigentlich in einer Liga mit Spiegel (582.622), Focus (235.069) und Stern (370.617) spielen wollte. Daß auch diese Magazine weiterhin deutlich an verkaufter Auflage verlieren – und nur die ist hier genannt (nicht berücksichtigt bleiben Freistücke, Bordexemplare und sonstige Aktionen) – dürfte ein schwacher Trost für die FAZ-Macher sein. Auch bei ihrer Tageszeitung macht sich bemerkbar, daß das früher bürgerliche Blatt mit einem deutlichen Kurswechsel seine Stammleser vergrault.

Ihr Wochenheft wurde nun sogar deutlich vom Cicero abgehängt, für den jetzt jeden Monat 43.594 Menschen Geld bezahlen. Seitdem die Chefredakteure Christoph Schwennicke und Alexander Marguier das Heft vom Schweizer Ringier-Verlag übernommen haben, steigt die Auflage merklich – in den vergangenen beiden Jahren um insgesamt 22,4 Prozent. Dies hat sicherlich auch mit der kritischen Berichterstattung zur Flüchtlingskrise und der intelligent-hintergründigen Kommentierung des Zeitgeistes zu tun. Für heimatlos gewordene FAZ-Leser ist der Cicero inzwischen eine Alternative.

Regelrecht abgeschmiert ist dagegen der Stern. Das linke Magazin verlor erneut 32.635 seiner Käufer – ein Verlust von 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nimmt man hier außerdem die nicht bezahlten Bordexemplare hinzu, liegt der Auflagenverlust des einstigen Millionen-Blattes sogar bei 17,2 Prozent.