© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Havarie der Küstenkoalition
Schleswig-Holstein: Die Mehrheiten links der Mitte sind Geschichte / Dreierbündnis wahrscheinlich / AfD schafft Landtagseinzug
Christian Schreiber

Ein Sieger, der nicht weiß, ob er regieren wird, ein Gewinner, der nicht weiß, ob er aus der Regierung fliegt, und ein Verlierer, der um die Macht kämpft: So lassen sich die Resultate der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zusammenfassen. Die bisher von Ministerpräsident Torsten Albig  angeführte „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband hat keine Mehrheit mehr. Dies liegt vor allem am schwachen Abschneiden der Sozialdemokraten, die deutlich verloren und damit der Euphorie um den Kanzlerkandidaten Martin Schulz ein Ende setzten. 

Stärkste Partei wurde die CDU mit dem bis vor wenigen Monaten noch weitgehend unbekannten Spitzenkandidaten Daniel Günther. Die FDP mit Haudegen Wolfgang Kubicki an der Spitze verbesserte sich deutlich und kam ebenso auf ein zweistelliges Ergebnis wie die Grünen, die ihr Resultat in einer ihrer Hochburgen halten konnten. Während die Linkspartei den Einzug in den Kieler Landtag verfehlte, zog die Alternative für Deutschland mit knapp sechs Prozent in das zwölfte Landesparlament in Folge ein. „Für uns ist es kein extrem gutes Ergebnis, aber mehr war unter den obwaltenden Umständen nicht drin“, sagte Spitzenkandidat Jörg Nobis. 

Seine Partei, die rechnerisch CDU und FDP zur Macht verhelfen könnte, spielte in den Machtplänen der Etablierten am Wahlabend keine Rolle. „Mit den Rechten spricht keiner“, höhnte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner. Immerhin fünf Abgeordnete entsendet die AfD in den neuen Landtag. Dabei schnitt sie in der Landeshauptstadt Kiel relativ schwach ab, konnte dagegen in Lübeck sowie dem Hamburger Umland in einigen Wahlkreisen punkten. 

Verantwortlich für den Erfolg der CDU sind nach Erkenntnissen des Wahlforschungsinstituts Infratest dimap ehemalige Nichtwähler und enttäuschte SPD-Wähler, die sich dieses Mal für die Christdemokraten entschieden. Daher sei auch das Ergebnis für die AfD eher bescheiden ausgefallen. 

Der gescheiterte Ministerpräsident Albig dachte nach Schließung der Wahllokale nicht daran, seine Niederlage einzugestehen und hofft offenbar immer noch auf eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP. Deren Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki hat einem solchen Bündnis allerdings eine klare Absage erteilt. „Die Wahrscheinlichkeit für die Ampel tendiert gegen Null“, sagte Kubicki und fügte hinzu: „Und unter der Führung von Torsten Albig ist sie wirklich ausgeschlossen.“ Wahlsieger Daniel Günther setzt derweil auf ein Jamaika-Bündnis mit Liberalen und Grünen. Eine Große Koalition schloß er dagegen so gut wie aus. 

Grüne schließen Jamaika-Bündnis nicht aus

„Wir liegen so eindeutig vor der SPD, die Menschen in Schleswig-Holstein wollen einen richtigen Wechsel. Das geht nur, wenn die CDU die Landesregierung anführt“, sagte Günther . Eine Große Koalition wäre „das falscheste Signal“ nach so einer Wahl. „Eine SPD, die so krachend abgewählt wurde, die kann nicht in einer neuen Landesregierung sein“, sagte Günther. Die grüne Spitzenkandidatin, Finanzministerin Monika Heinold, erklärte allerdings, die politischen Schnittmengen für eine Ampel mit SPD und FDP seien größer als bei einem Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP. Ein Dreierbündnis unter Günthers Führung wollte sie allerdings nicht ausschließen.

Noch am Wahlabend richtete sich der Blick der Akteure nach Nordrhein-Westfalen, wo am Wochenende gewählt wird (siehe Seite 5). Angesichts der Tatsache, daß der Einzug der AfD in den Kieler Landtag eine schwarz-gelbe Mehrheit verhindert hat, warb FDP-Chef Christian Lindner unverhohlen um potentielle AfD-Wähler. „Wirklich etwas verändern kann man nur, wenn man die FDP in die Regierung wählt“, sagte der NRW-Spitzenkandidat. Im größten Bundesland der Republik kämpft die SPD am Wochenende nun gegen einen negativen Trend an, nachdem zuvor bereits die Wahl im Saarland verlorenging. Außenminister Sigmar Gabriel setzt immer noch darauf, daß sein Nachfolger einen langen Atem haben wird. „Wir werden am Sonntag gewinnen, und Schulz wird Bundeskanzler. Da bin ich ganz sicher.“